Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 101: Heinrich Gander

Der Soldat Heinrich Gander wurde am 22.04.1891 in Hofstätten geboren, einem Ortsteil der Gemeinde Wilgartswiesen im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Musketier in der 11. Kompanie des 18. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde am 30.10.1914 während der Schlacht bei Ypern bei einem Angriff auf die belgische Ortschaft Hollebeke schwer verwundet. Zwei Wochen später, am 13.11.1914, verstarb er im Alter von 23 Jahren in einem Lazarett in der hessischen Stadt Butzbach an seiner Verwundung.

Der Ort der schweren Verwundung von Heinrich Gander:

Über den Tag und die Umstände der schweren Verwundung von Heinrich Gander berichtet die Regimentsgeschichte des 18. bayerischen Infanterie-Regiments:

„30.10.1914 Angriff auf Hollebeke

Dichter Nebel lag am 30.10. über Flandern, als schon 7.30 Uhr vormittags Artillerie mit dem Einschießen auf die feindlichen Stellungen begann.Aber infolge des unsichtigen Wetters war das Einschießen erst gegen 9.30 Uhr vormittags beendet und gegen 10 Uhr ging die Infanterie zum Angriff vor. Schon 5 Uhr vormittags war die Hälfte des I./18 (1. und 4. Kompanie) hinter dem linken Flügel des III. Bataillons bereitgestellt worden., das über Nacht in Schützenlöchern 1 Kilometer südöstlich Caleute nach Ablösung der dortigen Heereskavalerie auf nahe Entfernung den feindlichen Schützen gegenüber lag. Der Rest des I. Bataillons verblieb zunächst hinter dem linken Flügel. Beide Bataillone warteten dann, bis das Zeichen zum Angriff gegeben wurde. Das III. Bataillon rechts, das I. links, brachen die Schützen etwa 10 Uhr vormittags gegen die feindlichen Stellungen vor, das III. Bataillon mit rechtem Flügel längst des von Partyntje-Ferme nach Norden führenden Weges – Calvaire, östlich Groenelinde Südwestecke des Schlossparkes von Hollebeke, linker Flügel Straße Garde Dieu – Caleute. Heftiges Artilleriefeuer empfing sie, aber dennoch gelang es mit den vordersten Teilen bis 11 Uhr vormittags das Valeutecabt. zu erreichen. Hier aber stockte zunächst der Angriff. Gegen Mittag fuhren war zwei Züge des 5. Feldartillerie-Regiments zur unmittelbaren Unterstützung der Infanterie vor, aber dennoch blieb zunächst der Angriff stecken, weil die feindlichen Maschinengewehre, gut eingenistet in den zahllosen Hecken und Büschen, auch vom Artilleriefeuer nicht sofort gefasst werden konnten. Dazu kam, dass nach der linken Angriffsgruppe (26. Infanterie-Division), infolge einer unbeabsichtigten Verschiebung der Angriffsziele der Anschluss verpasst wurde, so dass das I. Bataillon mit seinem linken Flügel in der Luft hing.

In dieser Lage kam das II. Bataillon zum Einsatz. Es war in der Nacht in Alarmquartieren in Houthem untergebracht, kam kurz nach Eröffnung des Artilleriekampfes am frühen Morgen in der Ortschaft selbst in schweres Artilleriefeuer und rückte zunächst an den Westausgang von Houthem und dann bis zur Kapelle 1 Kilometer nordwestlich davon vor. Hier gab der Brigadekommandeur Generalmajor Clauß an Hauptmann Ritter den befehl, mit dem halben II. Bataillon am linken Flügel der vorderen Gefechtslinie einzugreifen und den Angriff nach vorwärts zu reißen. Nach einem  Seitenmarsche von etwa 500 Metern nach links über ebenes Gelände wurde dann nach vorwärts eingeschwenkt und mit der 6. und 7. Kompanie in die Kompanien des I. Bataillons eingeschoben. Aber auch der Einsatz frischer Kräfte genügte nicht, um die Gefechtslinie vorzureißen. Erst nachdem ein Bataillon und die Maschinengewehr-Kompanie 22. Infanterie-Regiment sowie zwei Artilleriezüge eingesetzt worden waren, erkämpfte sich die Truppe nach vorwärts Raum und erreichte am Abend mit rechtem Flügel Calvaire und mit linkem Flügel Groenelinde. Der Kampf war außerordentlich verlustreich gewesen: 5 Meter vor einem in eine Hecke eingebauten englischen Maschinengewehr lag die Leiche des Majors Kopp (Major Julius Kopp, gefallen am 30.10.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Menen in Block G, Grab 706), der freiwillig als 60jähriger Mann in das Feld gerückt war und nun wenige Tage nach seinem Eintreffen dortselbst den Heldentod gefunden, daneben Oberleutnant Munzert und Oberleutnant Lauerer. Verwundet wurden Oberleutnant Hoffa und die Leutnants der Reserve Braun und Kolbatz. Die Führung des II. Bataillons übernahm Hauptmann Höpfner.

Während so das 18. Regiment am linken Flügel der Division vorging und einen schönen Erfolg mit großer Tapferkeit erringen konnte, gelang es den rechten Nachbarn, dem 17. Infanterie-Regiment und Teilen des 22. Infanterie-Regiments den Schlosspark von Hollebeke in Besitz zu nehmen. Gegen 6 Uhr nachmittags war auch das Dorf Hollebeke in ihrer Hand und vom Feinde gesäubert. Beim Gegner waren englische Kavallerie und Artillerie auch etwas englische Infanterie und indische Truppen, es war kein starker aber ein zäher Feind, dem die Vorzüge des Geländes für die Verteidigung sehr zu statten kamen und der zudem in der Nähe von Groenelinde einige tiefe Schützengräben angelegt hatte. Die Brigade hatte einen Ruhmestag erlebt und General Clauß, der Kommandeur, wurde für sein umsichtiges und tapferes Verhalten und für den Erfolg, den seine Infanteriebrigade an diesem Tage erstritten, mit dem Max-Joseph-Orden ausgezeichnet. Dunst und Regen vermehrte am Abend die Dunkelheit, die nur von den brennenden Gehöften und Ortschaften erhellt wurde. Überall in Büschen und Hecken klagten Verwundete und lagen gefallene Helden. Totes Vieh lag umher, verwüstet waren die Höfe, niedergerissen die Zäune; schmutziger, vom Regen durchgeweichter Ackerboden dampfte von den Kämpfen des schweren Tages. Nach Einbruch der Dunkelheit waren die Truppen vollkommen zerstreut, die Mannschaften zum Tode ermüdet und erschöpft. Hauptmann Höpfner und Hauptmann Ritter machten sich auf den Weg, um während der Nacht die versprengten Teile zusammenzusuchen; – aber umsonst: die Achtzehner waren mit den übrigen Teilen der Brigade derart vermischt und über das Gelände zerstreut, dass man den Versuch, sie zu sammeln, aufgeben musste.“

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Man begrub Heinrich Gander auf dem Friedhof Butzbach in Abteilung E, Grab 2.

Das Grab von Heinrich Gander auf dem städtischen Friedhof von Butzbach

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 100: Johann Peschen

Der Soldat Johann Peschen wurde am 26.04.1881 in Leiffarth geboren, einem Stadtteil von Geilenkirchen im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 8. Kompanie des 68. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 09.09.1914 verstarb er nach schwerer Verwundung zwischen dem 22. und 29.08.1914 an der Westfront in einem Lazarett in der hessischen Stadt Butzbach. Johann Peschen wurde 33 Jahre alt.

Man begrub Johann Peschen auf dem Friedhof Butzbach in Abteilung E, Grab 1.

In seiner Heimatstadt Geilenkirchen gedenkt man Johann Peschen noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/geilenkirchen-leiffarth_wk1u2_nrw.htm

Grab von Johann Peschen auf dem städtischen Friedhof von Butzbach

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 95: Engelhard Weber

Der Soldat Engelhard Weber wurde am 28.10.1884 geboren und stammte aus der hessischen Gemeinde Kirchheim. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Gefreiter in der 11. Kompanie des 2. Marine-Infanterie-Regiments. Am 08.05.1915 wurde nahe Staint-Julien (Ortsteil von Lengemark) er bei Ypern schwer verwundet. Am 24.05.1915 verstarb er in Unna in dem heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen an seinen Wunden.

Über den Tag seiner schweren Verwundung schreibt die Regimentsgeschichte des 2. Marine-Infanterie-Regiments:

„8. Mai. Angriff auf der ganzen Front vor Ypern. Tagsüber starkes Feuer auf die befestigte feindliche Stellung. III. soll sich dem Angriff des rechts anschließenden Reserve-Jäger-Bataillons 15 nach erkannter Sturmreife der Stellung anschließen.

Bereitstellung der Kompanien. Hierbei fällt Oberleutnant der Reserve Romberg (9. Kompanie).

7.45 Uhr nachmittags Major Freiherr von Hanstein ist das II./5. M. R. zur Verfügung gestellt; dieses greift links umfassend den Gegner in der rechten Flanke bei den Gehöften 4. Bne. an; gleichzeitig tritt I. mit 5., Radfahrer-Kompanie und Maschinengewehr-Kompanie, vom linken Flügel beginnend, zum Sturm an. Als es auf gleiche Höhe der rechts vorwärts gestaffelt liegenden 10. Kompanie kommt, schließt sich diese und ein Zug der 9. Kompanie dem Angriff an. Auf dem rechten Flügel wird der Sturm äußerst vorteilhaft durch das energische Vorgehen der 10. Kompanie unter ihrem bewährten Führer, Oberleutnant Wehner, gegen die Flankierung von Chateau her gedeckt.

Anfänglich ist die feindliche infanteristische Gegenwehr stark. Doch den mit Hurra und aufgepflanztem Seitengewehr vorstürmenden Seesoldaten vermag der Engländer nicht standzuhalten. Der erste feindliche Graben wird überschritten. Über 300 Gefangene, darunter 9 Offiziere, werden eingebracht, vier Maschinengewehre erobert, die teilweise noch gegen den Feind gebraucht werden. Die 5. Kompanie, die am 7. abends aus der Front nach St. Julien gezogen worden war, wurde 1.30 Uhr vormittags in die Ausgangsstellung der 1. Kompanie gezogen. Sie stürmt mit dem I. Bataillon. Die 6.-8. Kompanie sind als Reserve gefolgt. Die 7. greift dabei an der Straße nach Wiltje ein, indem sie eine Lücke zwischen der 10. Kompanie und dem I. Bataillon ausfüllt. Sie arbeitet sich bis dicht an den Feind mit Handgranaten heran.

Die Verluste des I. sind gering, die der 10. und 9. Kompanie auf dem rechten Flügel wegen der Flankenwirkung von Chateau her, schwerer. Oberleutnant Wehner fällt durch Herzschuss, als er das Verfolgungsfeuer auf den flüchtenden Gegner leitet. Der rechte Flügel ist wegen des Flankenfeuers vom Chateau her im weiteren Vorwärtsdringen gehemmt. Der Angriff kommt dieserhalb an der Straße nach Verlorenhoek zum Stehen. In den erreichten Stellungen graben sich die Kompanien ein.

In der Nacht vom 8. auf den 9. wird das I. in seiner Stellung vom II. mit zugeteilter Radfahrer-Kompanie abgelöst. I. geht in seine Stellung vom 5. Mai und steht.“

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Man begrub Engelhard Weber auf dem Alten Friedhof Grünberg in Grab 3.

Grab von Engelhard Weber auf dem Alten Friedhof Grünberg (Hessen)

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 77: Ludwig Schäfer

Der Soldat Ludwig Schäfer stammte aus der hessischen Ortschaft Albach, einem Ortsteil der Gemeinde Fernwald, geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Gefreiter in der Maschinengewehr-Kompanie des 168. Infanterie-Regiments. Am 01.12.1914 verstarb er im Alter von 21 Jahren im Feldlazarett Nr. 7 bei Lille, nachdem er zuvor in Belgien bei Wytschaete schwer verwundet worden war.

Man begrub Ludwig Schäfer auf dem Soldatenfriedhof Lambersart in Block 2, Grab 169.

Gedenkstein für Ludwig Schäfer auf dem Friedhof der hessischen Ortschaft Fernwald-Albach

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 75: Ludwig Wehrum

Der Soldat Ludwig Wehrum stammte aus der hessischen Ortschaft Albach, einem Ortsteil der Gemeinde Fernwald. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Vizefeldwebel in der 8. Kompanie des 116. Infanterie-Regiments. Am 22.08.1914 fiel er im Alter von 30 Jahren an der Westfront in Belgien bei Anloy. Er wurde im Rahmen der Schlacht bei Neufchâteau getötet.

Über den Todestag und die Todesumstände von Heinrich Schmitt berichtet die Regimentsgeschichte des 116. Infanterie-Regiments:

„Gegen 6 Uhr vormittags (22. August) trat das Regiment als Vorhut den Marsch über Ochamps nach Glaireuse an. Auf den Höhen nördlich von diesem Dorfe stellte es sich bereit. Die Bereitstellung war gegen 9 Uhr vormittags beendet, und die Truppen waren eben aus den Feldküchen verpflegt worden, da traf folgender Befehl ein: „Infanterie-Regiment 116 geht auf dem linken Flügel der 49. Infanterie-Brigade vor, mit dem linken Flügel an der Südecke von Anloy vorbei, rechts Anschluss an Infanterie-Regiment 115. Die Linie Anloy-Bournonwald soll vorerst nicht überschritten werden.“Über die allgemeine Lage wurde bekannt, dass die 4. Armee mit dem VI. Armee-Korps und VIII. Reserve-Korps die Flanken der angreifenden 3. und 5. Armee decken und in ihrer Mitte am Lesse-Abschnitt (XVIII. Armee-Korps) und Neufsschâteau (XVIII. Reserve-Korps) eine Bereitstellung einnehmen sollte. Die Nachrichten über den Feind waren immer noch sehr unbestimmt. Nach Fliegermeldungen sollten in den Wäldern jenseits des Lessebaches nur Kavallerieabteilungen setehen. Die feindliche Infanterie wurde etwa 50 Kilometer dahinter vermutet.

Das Regiment nahm das II. und III. Bataillon ins erste Treffen; hinter dem III. Bataillon folgte die Maschinengewehr-Kompanie. Das I. Bataillon war hinter dem linken Flügel gestaffelt und stand zunächst der Brigade zur Verfügung. In guter Ordnung gestaffelt entfalteten sich die Kompanien und gingen, nachdem der Südrand von Anloy überschritten war, in Schützenwellen vor. Weiter rechts, wo die 50. Infanterie-Brigade über Libin gegen Maissin vorging, wurde lebhaftes Gewehr- und Artilleriefeuer laut. Unsere Brigade (49. Infanterie-Brigade) dagegen hatte bereits die befohlene Linie erreicht, ohne auf einen Gegner zu stoßen. So wurde die befohlene Linie im Anschluss an die rechten Nachbartruppen überschritten. Doch kaum hatten die ersten Wellen des II. und III. Bataillons  gegen 2 Uhr nachmittags die Höhen südwestlich von Anloy erreicht, als ihnen aus einer Entfernung von kaum 400 Metern lebhaftes Infanterie- und Maschinengewehr-Feuer entgegenschlug. Und doch war vom Gegner nichts zu sehen. In Getreidefeldern und am Waldrande hielt er sich vorzüglich gedeckt, so dass kein sicherer Schuss auf ihn anzubringen war. Aber dem ungestümen, unserem Infanteristen zur zweiten Natur gewordenen Drang nach vorwärts zeigte sich der Feind nicht gewachsen. Trotz des starken Feuers und trotz der hemmenden Drahtumzäunungen der Felder gelang es nach mehrmaligem Ansturm, die Getreidefelder allmählich vom Feinde zu säubern und die nächsten Waldstücke zu erreichen. Namentlich am rechten Flügel wurde der Angriff mit rasender Schnelligkeit vorgetragen. Trotz schwerer Verluste und trotz der Mahnungen der Offiziere zur Besonnenheit ging alles nach vorn durch.

Im Walde war zunächst das dichte Unterholz ein schwieriges Hindernis und verursachte viele Verluste. Ein weiteres Hemmnis waren die vielen gut versteckten französischen Baumschützen, die dem Angreifer aus unmittelbarer Nähe ihre verderblichen Schüsse entgegensandten, eine Kampfweise, auf die der Deutsche nicht gefasst war, gegen die er aber bald wirksame Abhilfe fand. Auch das eigene Artilleriefeuer belästigte hier stellenweise die vorgehenden Kompanien. Im wilden Drauflosgehen und hartem Ringen dachte man wenig an die Verbindung nach rückwärts, so dass unsere Artillerie nicht wissen konnte, wie weit der Angriff an den einzelnen Punkten vorgetragen war. Aber alle diese Schwierigkeiten konnten den Siegeslauf der in blinder Wut vorstürmenden Hessen nicht aufhalten. Waldstück auf Waldstück wurde dem Gegner entrissen, wobei sich an den einzelnen Waldrändern besonders erbitterte Kämpfe mit dem zähen Gegner abspielten. Hier war es auch, wo die beiden unerschrockenen Führer der 10. und 11. Kompanie, die Hauptleute von Weltzien und Mattel, einen frühen Heldentod fanden. Auch die Führer der 9. und 12. Kompanie, Hauptleute Wolf und Butz, mussten schwer verwundet vom Schlachtfeld getragen werden.

So wogte beim II. und III. Bataillon der Kampf in der heißen Augustsonne schon die dritte Stunde. Da drohte gegen 4 Uhr nachmittags ein gefährlicher Rückschlag: Der vorher schon an Zahl überlegene Gegner des Regiments schob in der Front ein neues Bataillon ein und suchte gleichzeitig unsere linke Flanke mit zwei frischen Jägerbataillonen zu umfassen. Der Angriff in der Front aus dem Walde Derrière-Horimont konnte zunächst vom II. und III. Bataillon nicht aufgefangen werden: Die beiden Bataillone waren zu hart mitgenommen, die Verbände zu sehr durcheinandergewürfelt. So mussten sie dem Stoß ausweichen. Aber bald stellte ein Maschinengewehr-Zug unter Leutnant de Harde sowie eine Kompanie der 21. Pioniere die Lage wieder her. Leutnant Brendel, der Adjutant des II. Bataillons, warf sich mit etwa 100 Versprengten aus allen Kompanien gegen die rechte Flanke. Von neuem kam der Angriff in Fluss, auch das frische Bataillon des Gegners wurde geworfen. Teile der 5. und 8. Kompanie unterstützten die 4. und 6. Kompanie des Infanterie-Regiments 115 beim Sturm auf eine feindliche Batterie, die nach hartem Ringen erobert und trotz mehrfacher wilder Gegenangriffe behauptet wurde. Vizefeldwebel Dutiné (8. Kompanie) und Braun (5. Kompanie) zeichneten sich dabei besonders aus.

Nicht minder schwierig gestaltete sich der Kampf auf dem linken Flügel des Regiments. Hier klaffte eine bedenkliche Lücke in der deutschen Kampffront, da das XVIII. Reserve-Korps nach Süden vorgestoßen war. Der Gegner hatte diesen schwachen Punkt bald erkannt und holte von Stunde zu Stunde weiter nach links zur Umfassung aus. Als hier gleich zu Beginn der Schlacht das links gestaffelte I. Bataillon in Marschkolonne aus einem Hohlweg südwestlich von Anloy heraustrat, wurde es mit einem Hagel von Geschossen überschüttet, so dass alles volle Deckung nehmen musste. Die vorderen Kompanien entwickelten sich gruppenweise nach links und arbeiteten sich in wütendem Infanteriefeuer durch hohe Getreidefelder, ohne indes vom Feinde etwas zu sehen. In einem toten Winkel konnten die 3. und 4. Kompanie kurz Atem schöpfen. Ihre drei noch am Leben gebliebenen Zugführer, Leutnant Pieper, Locher und Offizierstellvertreter Petri ordneten hier, was sich um sie gesammelt hatte, und griffen dann ein von den Haubitzen der 61er sturmreif geschossenes, stark besetztes Waldstück an. Mutig trug der Sergant Pistler, umzischt von zahlreichen Geschossen, die entfaltete Fahne des Bataillons mit den stürmenden Kompanien nach vorn. Der Waldstreifen wurde genommen und schnell durchschritten. Aber frische feindliche Kräfte setzten zum Gegenangriff an und trafen namentlich die Leibkompanie sehr schwer. Viermal hatte sie einen französischen Vorstoß auszuhalten und verlor drei tüchtige Offiziere, Leutnant von Erhardt, Weinberg und Mühlberger. Auch in den Ginsterbüschen jenseits des Waldstücks waren die Kompanien starkem feindlichen Strichfeuer ausgesetzt, das hohe Verluste brachte und zum Rückzug in das Waldstück zwang.

Entscheidend für die Abwehr der feindlichen Umfassungsversuche wurde das Eingreifen der Maschinengewehre. Ihnen hatte der Regimentskommandeur in richtiger Erkenntnis der Gefahr von vornherein die Sicherung der linken Flanke übertragen. Sie waren daher südlich von Anloy in Stellung gegangen. Dort hatten sie bald drei französische Maschinengewehre, die zwischen den Straßen Anloy-Sart und Anloy-Haie standen, außer Gefecht gesetzt. Infolge der feindlichen Umfassung kam jedoch Hauptmann Poly mit den Gewehren in eine bedrängte Lage. Da ritt Oberst Schimmelpfennig in schärfstem Galopp zur Artillerie, erhielt dort zwei Geschütze und brachte sie an der gefährdeten Stelle in Front. Ein fürchterliches Blutbad begann. Die beiden Geschütze rissen ungeheure Löcher in die überflügelnden feindlichen Reihen. Schwadenweise mähten die Maschinengewehre die vorgehenden Wellen nieder und schossen mit entsetzlicher Genauigkeit und Unerbittlichkeit die Schützenlinien des Gegners zusammen, so dass jedes Leben in ihnen erstarrte. Gefangene schilderten entsetzt die grauenhafte Wirkung dieses vereinigten Artillerie- und Maschinengewehr-Feuers, von der man sich am andern Tage beim Überschreiten des Schlachtfeldes mit Schaudern überzeugen konnte.

So tobte der heiße Kampf den ganzen nachmittag, hier in wildem Handgemenge mit wüstem Schreien, dort in schrecklichem Zischen und Heulen der todbringenden Geschosse, in Angriff und Gegenangriff um den Besitz einzelner Waldstücke, in wildem Vorstürmen und entsetztem Zurückgehen. Die Wildheit hatte besonders beim II. und III. Bataillon jede Einheitlichkeit über den Haufen geworfen. So wird erklärlich, dass Teile der 10. und 11. Kompanie weit rechts beim Infanterie-Regiment 117 gegen das Dorf Maissin kämpften. Aber immer noch war die endgültige Entscheidung nicht gefallen. Zwar begann von 5 Uhr nachmittags an unsere Artillerie kräftiger zu wirken. Die Waldstücke, in denen sich der Gegner noch hielt, wurde planmäßig beschossen. Immer tiefer stießen die Kompanien dem Gegner nach Westen nach. Trefflich half dem I. Bataillon eine Kompanie der 21. Pioniere, deren Führer, Hauptmann Peters, den Heldentod starb. Doch nur schrittweise gab der Feind eine Stellung nach der anderen auf. Da ertönten gegen 7 Uhr nachmittags in unserem Rücken Kommandorufe. Die lang ersehnte Unterstützung war da! In vierstündigem Marsche war die 16. Reserve-Division unter Generalleutnant Mootz von der Eisenbahn nach dem Schlachtfelde geeilt, um den Kameraden Hilfe zu bringen. Nun schwärmten die Kompanien des Reserve-Infanterie-Regiments 28 ein. Da gab’s kein Halten mehr. Mit Bajonett und Spaten wurde der bis zum äußersten sich wehrende Gegner aus seinen letzten Stellungen geworfen. Blau und rot quoll es aus den Waldstücken heraus. Auf wenige hundert Meter lief der nach Süden abziehende Gegner in das Flankenfeuer des I. Bataillons hinein und erlitt schreckliche Verluste. Erst die Dunkelheit machte dem Kampfe ein Ende. Völlig erschöpft sammelten sich die Bataillone auf der Höhe bei Anloy. Bei der Unsicherheit der Gesamtlage – der rechte Flügel der Division hatte wegen drohender Umfassung das um 5 Uhr nachmittags gestürmte Maissin wieder räumen müssen – wurde die Höhe und der Dorfrand zur Verteidigung eingerichtet.

Eine schwere Aufgabe harrte der Ärzte und Krankenträger. Im Kampfe mit Freischärlern, die aus Häusern auf die durchziehenden Verwundeten schossen und die Gefechtsstaffel zersprengten, hatte Stabsarzt Dr. Szubinski am Westausgang des Dorfes den Verbandsplatz des Regiments eingerichtet. Den ganzen Nachmittag über strömten die Verwundeten zu, und bald war alles überfüllt. Eine schier nicht zu bewältigende Arbeit für fünf Ärzte mit wenigen Helfern; dazu in stundenlangem Artilleriefeuer. Nach Mitternacht erschienen die Krankenträger der Sanitätskompanie mit Fackeln. Sie wurden aber beim Absuchen des Schlachtfeldes noch vielfach vom Feinde beschossen. Trotzdem wurden die meisten der hilflos daliegenden und dem Verschmachten nahen Schwerverwundeten noch während der Nacht zurückgeschafft. Viele aber mussten in ihrer Todespein den kommenden Morgen abwarten, bis sie aufgefunden und geborgen werden konnten.

Die erste Schlacht war geschlagen. Der blutigste Tag des ganzen Krieges lag hinter dem Regiment. Der Sieg hatte sich an seine Fahnen geheftet. Ein Starker und tapferer Gegner war aus Stellungen gejagt worden, die er sich drei Tage lang mit Sorgfalt ausgesucht und ausgebaut hatte. Rühmliche Taten, die alle der Erwähnung wert wären, waren allerort vollbracht worden. Aber groß, sehr groß waren auch die Verluste. Kein Tag des Feldzugs hatte vom Regiment so viele Opfer gefordert wie der Tag von Anloy. Innerhalb weniger Stunden hat es über 1.000 Mann, mehr als ein Drittel seines Bestandes, verloren. 13 Offiziere, darunter außer den schon erwähnten der bewährten Führer der 4. Kompanie, Hauptmann von Normann, und Oberleutnant Ebel von der 6., der am nächsten Morgen seiner schweren Verwundung erlag, ferner Leutnant Becker, von Grolmann, Eichhoff, Klein, Walter und Fahnenjunker Schäfer waren auf dem Schlachtfelde geblieben; 340 brave Unteroffiziere und Mannschaften waren mit ihnen in den Tod gegangen. Fast doppelt so hoch war die Zahl der Verwundeten. Unter ihnen waren 20 Offiziere: Das I. Bataillon hatte den Hauptmann von Thümen und die Leutnants Locher, Malzahn, Pieper, Scherer und den Fähnrich Marquardt verloren; das II. büßte Leutnant Schroeder, Johlen, Hellwig und Buchholz ein; am schwersten aber waren die Verluste beim III., wo außer den vier Kompanieführern die Leutnants Dingeldein, Flotho, Fischer, Loerbrocks, Schmidt, Meyer und Freytag fehlten. In der Maschinengewehr-Kompanie waren Oberleutnant Kienitz und Leutnant de Harde (D. E.) verwundet. An Unteroffizieren und Mannschaften waren 599 verwundet, 72 wurden vermisst. Der Name Anloy sollte einen schrecklichen Klang in der hessischen Heimat erhalten. Da war kein Städtchen und Dörfchen, in das nicht die Nachricht gedrungen wäre: „Bei Anloy gefallen!“ Aber darum ist der Name auch zum Ehrennamen der Kämpfer des 22. August geworden. Von allen Kränzen, die sich das Regiment in diesem großen Krieg errungen, ist der Kranz von Anloy der schönste. Er wird nie welken.“

Man begrub Ludwig Wehrum auf dem Soldatenfriedhof Anloy-Heide in Block 2, Grab 55.

Gedenkstein für Ludwig Wehrum auf dem Friedhof von Fernwald-Albach

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 74: Heinrich Schmitt

Der Soldat Heinrich Schmitt (Volksbund: Schmidt) stammte aus der hessischen Ortschaft Albach, einem Ortsteil der Gemeinde Fernwald. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 7. Kompanie des 116. Infanterie-Regiments. Am 22.08.1914 fiel er an der Westfront in Belgien bei Anloy.

Über den Todestag und die Todesumstände von Heinrich Schmitt berichtet die Regimentsgeschichte des 116. Infanterie-Regiments:

„Gegen 6 Uhr vormittags (22. August) trat das Regiment als Vorhut den Marsch über Ochamps nach Glaireuse an. Auf den Höhen nördlich von diesem Dorfe stellte es sich bereit. Die Bereitstellung war gegen 9 Uhr vormittags beendet, und die Truppen waren eben aus den Feldküchen verpflegt worden, da traf folgender Befehl ein: „Infanterie-Regiment 116 geht auf dem linken Flügel der 49. Infanterie-Brigade vor, mit dem linken Flügel an der Südecke von Anloy vorbei, rechts Anschluss an Infanterie-Regiment 115. Die Linie Anloy-Bournonwald soll vorerst nicht überschritten werden.“Über die allgemeine Lage wurde bekannt, dass die 4. Armee mit dem VI. Armee-Korps und VIII. Reserve-Korps die Flanken der angreifenden 3. und 5. Armee decken und in ihrer Mitte am Lesse-Abschnitt (XVIII. Armee-Korps) und Neufsschâteau (XVIII. Reserve-Korps) eine Bereitstellung einnehmen sollte. Die Nachrichten über den Feind waren immer noch sehr unbestimmt. Nach Fliegermeldungen sollten in den Wäldern jenseits des Lessebaches nur Kavallerieabteilungen setehen. Die feindliche Infanterie wurde etwa 50 Kilometer dahinter vermutet.

Das Regiment nahm das II. und III. Bataillon ins erste Treffen; hinter dem III. Bataillon folgte die Maschinengewehr-Kompanie. Das I. Bataillon war hinter dem linken Flügel gestaffelt und stand zunächst der Brigade zur Verfügung. In guter Ordnung gestaffelt entfalteten sich die Kompanien und gingen, nachdem der Südrand von Anloy überschritten war, in Schützenwellen vor. Weiter rechts, wo die 50. Infanterie-Brigade über Libin gegen Maissin vorging, wurde lebhaftes Gewehr- und Artilleriefeuer laut. Unsere Brigade (49. Infanterie-Brigade) dagegen hatte bereits die befohlene Linie erreicht, ohne auf einen Gegner zu stoßen. So wurde die befohlene Linie im Anschluss an die rechten Nachbartruppen überschritten. Doch kaum hatten die ersten Wellen des II. und III. Bataillons  gegen 2 Uhr nachmittags die Höhen südwestlich von Anloy erreicht, als ihnen aus einer Entfernung von kaum 400 Metern lebhaftes Infanterie- und Maschinengewehr-Feuer entgegenschlug. Und doch war vom Gegner nichts zu sehen. In Getreidefeldern und am Waldrande hielt er sich vorzüglich gedeckt, so dass kein sicherer Schuss auf ihn anzubringen war. Aber dem ungestümen, unserem Infanteristen zur zweiten Natur gewordenen Drang nach vorwärts zeigte sich der Feind nicht gewachsen. Trotz des starken Feuers und trotz der hemmenden Drahtumzäunungen der Felder gelang es nach mehrmaligem Ansturm, die Getreidefelder allmählich vom Feinde zu säubern und die nächsten Waldstücke zu erreichen. Namentlich am rechten Flügel wurde der Angriff mit rasender Schnelligkeit vorgetragen. Trotz schwerer Verluste und trotz der Mahnungen der Offiziere zur Besonnenheit ging alles nach vorn durch.

Im Walde war zunächst das dichte Unterholz ein schwieriges Hindernis und verursachte viele Verluste. Ein weiteres Hemmnis waren die vielen gut versteckten französischen Baumschützen, die dem Angreifer aus unmittelbarer Nähe ihre verderblichen Schüsse entgegensandten, eine Kampfweise, auf die der Deutsche nicht gefasst war, gegen die er aber bald wirksame Abhilfe fand. Auch das eigene Artilleriefeuer belästigte hier stellenweise die vorgehenden Kompanien. Im wilden Drauflosgehen und hartem Ringen dachte man wenig an die Verbindung nach rückwärts, so dass unsere Artillerie nicht wissen konnte, wie weit der Angriff an den einzelnen Punkten vorgetragen war. Aber alle diese Schwierigkeiten konnten den Siegeslauf der in blinder Wut vorstürmenden Hessen nicht aufhalten. Waldstück auf Waldstück wurde dem Gegner entrissen, wobei sich an den einzelnen Waldrändern besonders erbitterte Kämpfe mit dem zähen Gegner abspielten. Hier war es auch, wo die beiden unerschrockenen Führer der 10. und 11. Kompanie, die Hauptleute von Weltzien und Mattel, einen frühen Heldentod fanden. Auch die Führer der 9. und 12. Kompanie, Hauptleute Wolf und Butz, mussten schwer verwundet vom Schlachtfeld getragen werden.

So wogte beim II. und III. Bataillon der Kampf in der heißen Augustsonne schon die dritte Stunde. Da drohte gegen 4 Uhr nachmittags ein gefährlicher Rückschlag: Der vorher schon an Zahl überlegene Gegner des Regiments schob in der Front ein neues Bataillon ein und suchte gleichzeitig unsere linke Flanke mit zwei frischen Jägerbataillonen zu umfassen. Der Angriff in der Front aus dem Walde Derrière-Horimont konnte zunächst vom II. und III. Bataillon nicht aufgefangen werden: Die beiden Bataillone waren zu hart mitgenommen, die Verbände zu sehr durcheinandergewürfelt. So mussten sie dem Stoß ausweichen. Aber bald stellte ein Maschinengewehr-Zug unter Leutnant de Harde sowie eine Kompanie der 21. Pioniere die Lage wieder her. Leutnant Brendel, der Adjutant des II. Bataillons, warf sich mit etwa 100 Versprengten aus allen Kompanien gegen die rechte Flanke. Von neuem kam der Angriff in Fluss, auch das frische Bataillon des Gegners wurde geworfen. Teile der 5. und 8. Kompanie unterstützten die 4. und 6. Kompanie des Infanterie-Regiments 115 beim Sturm auf eine feindliche Batterie, die nach hartem Ringen erobert und trotz mehrfacher wilder Gegenangriffe behauptet wurde. Vizefeldwebel Dutiné (8. Kompanie) und Braun (5. Kompanie) zeichneten sich dabei besonders aus.

Nicht minder schwierig gestaltete sich der Kampf auf dem linken Flügel des Regiments. Hier klaffte eine bedenkliche Lücke in der deutschen Kampffront, da das XVIII. Reserve-Korps nach Süden vorgestoßen war. Der Gegner hatte diesen schwachen Punkt bald erkannt und holte von Stunde zu Stunde weiter nach links zur Umfassung aus. Als hier gleich zu Beginn der Schlacht das links gestaffelte I. Bataillon in Marschkolonne aus einem Hohlweg südwestlich von Anloy heraustrat, wurde es mit einem Hagel von Geschossen überschüttet, so dass alles volle Deckung nehmen musste. Die vorderen Kompanien entwickelten sich gruppenweise nach links und arbeiteten sich in wütendem Infanteriefeuer durch hohe Getreidefelder, ohne indes vom Feinde etwas zu sehen. In einem toten Winkel konnten die 3. und 4. Kompanie kurz Atem schöpfen. Ihre drei noch am Leben gebliebenen Zugführer, Leutnant Pieper, Locher und Offizierstellvertreter Petri ordneten hier, was sich um sie gesammelt hatte, und griffen dann ein von den Haubitzen der 61er sturmreif geschossenes, stark besetztes Waldstück an. Mutig trug der Sergant Pistler, umzischt von zahlreichen Geschossen, die entfaltete Fahne des Bataillons mit den stürmenden Kompanien nach vorn. Der Waldstreifen wurde genommen und schnell durchschritten. Aber frische feindliche Kräfte setzten zum Gegenangriff an und trafen namentlich die Leibkompanie sehr schwer. Viermal hatte sie einen französischen Vorstoß auszuhalten und verlor drei tüchtige Offiziere, Leutnant von Erhardt, Weinberg und Mühlberger. Auch in den Ginsterbüschen jenseits des Waldstücks waren die Kompanien starkem feindlichen Strichfeuer ausgesetzt, das hohe Verluste brachte und zum Rückzug in das Waldstück zwang.

Entscheidend für die Abwehr der feindlichen Umfassungsversuche wurde das Eingreifen der Maschinengewehre. Ihnen hatte der Regimentskommandeur in richtiger Erkenntnis der Gefahr von vornherein die Sicherung der linken Flanke übertragen. Sie waren daher südlich von Anloy in Stellung gegangen. Dort hatten sie bald drei französische Maschinengewehre, die zwischen den Straßen Anloy-Sart und Anloy-Haie standen, außer Gefecht gesetzt. Infolge der feindlichen Umfassung kam jedoch Hauptmann Poly mit den Gewehren in eine bedrängte Lage. Da ritt Oberst Schimmelpfennig in schärfstem Galopp zur Artillerie, erhielt dort zwei Geschütze und brachte sie an der gefährdeten Stelle in Front. Ein fürchterliches Blutbad begann. Die beiden Geschütze rissen ungeheure Löcher in die überflügelnden feindlichen Reihen. Schwadenweise mähten die Maschinengewehre die vorgehenden Wellen nieder und schossen mit entsetzlicher Genauigkeit und Unerbittlichkeit die Schützenlinien des Gegners zusammen, so dass jedes Leben in ihnen erstarrte. Gefangene schilderten entsetzt die grauenhafte Wirkung dieses vereinigten Artillerie- und Maschinengewehr-Feuers, von der man sich am andern Tage beim Überschreiten des Schlachtfeldes mit Schaudern überzeugen konnte.

So tobte der heiße Kampf den ganzen nachmittag, hier in wildem Handgemenge mit wüstem Schreien, dort in schrecklichem Zischen und Heulen der todbringenden Geschosse, in Angriff und Gegenangriff um den Besitz einzelner Waldstücke, in wildem Vorstürmen und entsetztem Zurückgehen. Die Wildheit hatte besonders beim II. und III. Bataillon jede Einheitlichkeit über den Haufen geworfen. So wird erklärlich, dass Teile der 10. und 11. Kompanie weit rechts beim Infanterie-Regiment 117 gegen das Dorf Maissin kämpften. Aber immer noch war die endgültige Entscheidung nicht gefallen. Zwar begann von 5 Uhr nachmittags an unsere Artillerie kräftiger zu wirken. Die Waldstücke, in denen sich der Gegner noch hielt, wurde planmäßig beschossen. Immer tiefer stießen die Kompanien dem Gegner nach Westen nach. Trefflich half dem I. Bataillon eine Kompanie der 21. Pioniere, deren Führer, Hauptmann Peters, den Heldentod starb. Doch nur schrittweise gab der Feind eine Stellung nach der anderen auf. Da ertönten gegen 7 Uhr nachmittags in unserem Rücken Kommandorufe. Die lang ersehnte Unterstützung war da! In vierstündigem Marsche war die 16. Reserve-Division unter Generalleutnant Mootz von der Eisenbahn nach dem Schlachtfelde geeilt, um den Kameraden Hilfe zu bringen. Nun schwärmten die Kompanien des Reserve-Infanterie-Regiments 28 ein. Da gab’s kein Halten mehr. Mit Bajonett und Spaten wurde der bis zum äußersten sich wehrende Gegner aus seinen letzten Stellungen geworfen. Blau und rot quoll es aus den Waldstücken heraus. Auf wenige hundert Meter lief der nach Süden abziehende Gegner in das Flankenfeuer des I. Bataillons hinein und erlitt schreckliche Verluste. Erst die Dunkelheit machte dem Kampfe ein Ende. Völlig erschöpft sammelten sich die Bataillone auf der Höhe bei Anloy. Bei der Unsicherheit der Gesamtlage – der rechte Flügel der Division hatte wegen drohender Umfassung das um 5 Uhr nachmittags gestürmte Maissin wieder räumen müssen – wurde die Höhe und der Dorfrand zur Verteidigung eingerichtet.

Eine schwere Aufgabe harrte der Ärzte und Krankenträger. Im Kampfe mit Freischärlern, die aus Häusern auf die durchziehenden Verwundeten schossen und die Gefechtsstaffel zersprengten, hatte Stabsarzt Dr. Szubinski am Westausgang des Dorfes den Verbandsplatz des Regiments eingerichtet. Den ganzen Nachmittag über strömten die Verwundeten zu, und bald war alles überfüllt. Eine schier nicht zu bewältigende Arbeit für fünf Ärzte mit wenigen Helfern; dazu in stundenlangem Artilleriefeuer. Nach Mitternacht erschienen die Krankenträger der Sanitätskompanie mit Fackeln. Sie wurden aber beim Absuchen des Schlachtfeldes noch vielfach vom Feinde beschossen. Trotzdem wurden die meisten der hilflos daliegenden und dem Verschmachten nahen Schwerverwundeten noch während der Nacht zurückgeschafft. Viele aber mussten in ihrer Todespein den kommenden Morgen abwarten, bis sie aufgefunden und geborgen werden konnten.

Die erste Schlacht war geschlagen. Der blutigste Tag des ganzen Krieges lag hinter dem Regiment. Der Sieg hatte sich an seine Fahnen geheftet. Ein Starker und tapferer Gegner war aus Stellungen gejagt worden, die er sich drei Tage lang mit Sorgfalt ausgesucht und ausgebaut hatte. Rühmliche Taten, die alle der Erwähnung wert wären, waren allerort vollbracht worden. Aber groß, sehr groß waren auch die Verluste. Kein Tag des Feldzugs hatte vom Regiment so viele Opfer gefordert wie der Tag von Anloy. Innerhalb weniger Stunden hat es über 1.000 Mann, mehr als ein Drittel seines Bestandes, verloren. 13 Offiziere, darunter außer den schon erwähnten der bewährten Führer der 4. Kompanie, Hauptmann von Normann, und Oberleutnant Ebel von der 6., der am nächsten Morgen seiner schweren Verwundung erlag, ferner Leutnant Becker, von Grolmann, Eichhoff, Klein, Walter und Fahnenjunker Schäfer waren auf dem Schlachtfelde geblieben; 340 brave Unteroffiziere und Mannschaften waren mit ihnen in den Tod gegangen. Fast doppelt so hoch war die Zahl der Verwundeten. Unter ihnen waren 20 Offiziere: Das I. Bataillon hatte den Hauptmann von Thümen und die Leutnants Locher, Malzahn, Pieper, Scherer und den Fähnrich Marquardt verloren; das II. büßte Leutnant Schroeder, Johlen, Hellwig und Buchholz ein; am schwersten aber waren die Verluste beim III., wo außer den vier Kompanieführern die Leutnants Dingeldein, Flotho, Fischer, Loerbrocks, Schmidt, Meyer und Freytag fehlten. In der Maschinengewehr-Kompanie waren Oberleutnant Kienitz und Leutnant de Harde (D. E.) verwundet. An Unteroffizieren und Mannschaften waren 599 verwundet, 72 wurden vermisst. Der Name Anloy sollte einen schrecklichen Klang in der hessischen Heimat erhalten. Da war kein Städtchen und Dörfchen, in das nicht die Nachricht gedrungen wäre: „Bei Anloy gefallen!“ Aber darum ist der Name auch zum Ehrennamen der Kämpfer des 22. August geworden. Von allen Kränzen, die sich das Regiment in diesem großen Krieg errungen, ist der Kranz von Anloy der schönste. Er wird nie welken.“

Man begrub Heinrich Schmitt auf dem Soldatenfriedhof Anloy-Heide in Block 3, Grab 147.

Gedenkstein für Heinrich Schmitt auf dem Friedhof Fernwald-Albach