Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 35: Hugo Kirst

Der Soldat Hugo Kirst stammte aus der Stadt Allstedt im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Unteroffizier in der 4. Kompanie des 185. Infanterie-Regiments. Am 05.11.1915 verstarb er in einem Lazarett der saarländischen Stadt Saarlouis, nachdem er zuvor im Kampf bei Somme-Py schwer verwundet worden war.

Man begrub Hugo Kirst auf dem Garnisons-Friedhof Saarlouis in Block 1, Reihe 2, Grab 18.

Noch heute gedenkt man Hugo Kirst in seiner Heimatgemeinde auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2015/allstedt_lk-mansfeld-suedharz_1870_wk1_sachs-anhalt.html

Grab von Hugo Kirst auf dem Garnisonsfriedhof Saarlouis

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 33: Wilhelm Richter

Der Soldat Wilhelm Richter stammte aus Eversburg, einem Stadtteil der niedersächsischen Stadt Osnabrück. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Musketier in der 9. Kompanie des 92. Infanterie-Regiments. Am 06.10.1915 wurde er bei Somme-Py schwer verwundet. Drei Wochen später, am 27.10.1915 starb er im Reservelazarett 2 der saarländischen Stadt Saarlouis.

Über den Tag der schweren Verwundung von Wilhelm Richter berichtet die Regimentsgeschichte des 92. Infanterie-Regiments:

„Ein neuer Tag kündet sich an, der 06.10. unvergesslichen Angedenkens. 43 Stunden hatte die Artillerievorbereitung des Feindes schon gedauert, davon 36 Stunden Trommelfeuer. Es war 7 Uhr vormittags. Da schwillt das Feuer zum rasenden Orkan an, um das letzte Leben zu vernichten. Alle Schlünde der feindlichen Batterien haben sich gleichzeitig geöffnet. Eine Viertelstunde hämmern die Granaten auf die Stellungen. Fliegerbomben vereinigen sich mit ihnen. Die Luft ist von einem Rauschen und Brausen erfüllt, sodass das Ohr keine Einzelschüsse mehr zu vernehmen vermag. Die Nervenstränge drohen zu zerreissen. Alles, was noch lebt, fühlt, dass der Augenblick der Entscheidung naht. Da schweigt mit einem Schlage die feindliche Artillerie. Noch ehe die Lähmung von der Seele der Grabenkämpfer zu weichen vermag, dringen mit wildem Geschrei marokkanische Truppen in ihren

phantastischen Gewändern, die Gewehre hochschwingend, in die Stellungen ein. Zum Hauptstoß auf beiden Seiten der Straße Souain – Somme Py haben sie angesetzt. Sie kommen! tönt ein lauter Schrei. Da erwachen die Grabenkämpfer zu neuem Leben, und heller Kampfeszorn sprüht aus ihren Augen. Da eilen die Mannschaften aus dem Unterstand in die Stellung, die nur noch aus Trichtern und Löchern besteht. Der Sturm trifft noch den rechten Flügel des I. Bataillons, ebenso ein Maschinengewehr des Zuges Hartmann. Das andere wird sofort in Stellung gebracht und eröffnet ein vernichtendes Feuer. Wilde Kämpfe Mann gegen Mann. Leutnant Meyer, 4. Kompanie, gibt seinen Leuten wiederum ein glänzendes Beispiel unerschrockener Tapferkeit. Handgranate auf Handgranate fliegt dem Feind entgegen. Da legt die eigene Artillerie Sperrfeuer vor die Stellung, Grabenstück auf Grabenstück wird vom Feinde gesäubert. Hier kommt der Feind nicht durch. 300 Tote bleiben vor dem Graben der 2. und 3. Kompanie, noch mehr vor dem der 4. Kompanie liegen.

Beim II. Bataillon bringen die wenigen Maschinengewehre dem Feinde, der hier nur zum Nebenangriff vorgeht, so starke Verluste bei, dass er sofort zusammenbricht. Neue Angriffe werden nicht mehr versucht. – Anders beim Leib-Bataillon. Hier hatte der Durchbruch vollen Erfolg. An zwei Stellen, bei der 11. und 12. Kompanie bricht der Feind durch. Wer sollte ihn noch aufhalten? Die meisten Verteidiger waren längst gefallen oder verwundet. Was hilft aller Mut der wenigen noch Lebenden, da die Überzahl so gewaltig ist, immer neue Wellen heranbrausen. Die letzten Verteidiger fallen im Nahkampf, getreu bis zum Tode. Nur verhältnismäßig wenige, meist verwundet, geraten in Gefangenschaft. 34 Mann der 12. Kompanie waren bereits gefallen und 60 verwundet. Von dem Rest von 80 Mann lassen die meisten ihr Leben bei dem Sturm. Bei der 11. Kompanie sind die Verluste ähnlich stark. Die 9. Kompanie konnte ihren Graben nach der linken Flanke abriegeln, wo der Maschinengewehr-Zug Hartmann dem Feind starke Verluste beibrachte. Leutnant der Reserve Hartmann selbst wurde schwer verwundet. Die Stellung der 9. Kompanie wurde mit Hilfe von herbeigeeilten Teilen der 5. Kompanie und eines Zuges Infanterie-Regiment 78 restlos behauptet. – Leutnant der Reserve Düngemann zeichnet sich durch seine Unerschrockenheit besonders aus und fordert seine zusammengeschmolzene Schar immer wieder zum Ausharren auf. Neben ihm der tapfere Unteroffizier Bröder, der den Heldentod findet, Vizefeldwebel Dohrmann, der ebenso wie der Gefreite Popper, der schon von Belgien her als kaltblütiger Kämpfer bekannt ist, sich das Eiserne Kreuz 1. Klasse verdient. Ferner der Vizefeldwebel Meiners, Unteroffizier Ahrens, Hagedorn, Luther und Musketier Steinborn. Ihnen ist es in erster Linie zu verdanken, dass der Feind an dieser gefährdeten Stelle nicht einbrach.

Die Marokkaner stoßen durch die Stellungen der 11. und 12. Kompanie und weiter östlich beim Infanterie-Regiment 91 weiter vor durch den Wald den Berghang hinab. Sanitätsmannschaften fallen in ihre Hand. Mehrere von ihnen, darunter Sanitäts-Unteroffizier Winkel, werden, obwohl sie keine Waffe führen, erschlagen. Assistenzarzt Dr. Lüders, beim Verbinden von Verwundeten beschäftigt, fällt in Gefangenschaft. Die Marokkaner erreichen den Gefechtsstand des Leib-Bataillons. In der einen Hälfte befinden sich 4 Schwerverwundete. Von dort führt unterirdisch ein Gang zum Bataillonsstab, in den die Feinde eindringen, ohne den Bataillons-Führer Major Kobus, seinen Adjutant Leutnant von Wülcknitz, die Telefonnisten Buhr und Schrader und den Burschen Simon zu entdecken, die sich im Dunkeln in einer Stollenvertiefung verbergen. Ein eindringender Marokkaner erschießt die Schwerverwundeten außer dem Reservisten Prüsse. Es wurde 8 Uhr 25 vormittags. Hauptmann Freiherr von Buttlar kehrt von der Stellung des I. Bataillons, da dort dir Gefahr behoben war, in seinen Gefechtsunterstand zurück, um Oberstleutnant Dürr Meldung zu erstatten, der sich bereits seit dem Abend zuvor dort aufhält. Ein Mann des Leib-Bataillons holte ihn ein und meldet, dass die Franzosen beim Leib-Bataillon durchgebrochen seien und dicht hinter ihm folgen. Auf 300 Meter Entfernung sieht Hauptmann Freiherr von Buttlar die feindlichen Schützen nahen. Oberstleutnant Dürr lässt schnell durch Oberleutnant Kutzen die Karten und Pläne der Stellung auf einem rasch entfachten Feuer vernichten. Schon hat der Feind das Gestrüpp bei dem Unterstand des I. Bataillons und dem ganz in der Nähe befindlichen Unterstand der Artillerie erreicht. Die Artilleristen, darunter Hauptmann von Kehler, werden aus ihrem Unterstand herausgezerrt, erstochen und erschlagen. Oberstleutnant Dürr glaubt, dass alles verloren ist und hält eine Verteidigung für nutzlos. Da kommt schon ein weißer Franzose mit gefälltem Bajonett auf den Unterstand des I. Bataillons zu. Hauptmann Freiherr von Butlar empfängt ihn kaltblütig mit der Pistole. Der Schuss versagt. Aber der Feind verschwindet. Eine Viertelstunde in höchster Aufregung vergeht. Es ist 8.45 Uhr vormittags. Inzwischen hört man draußen Feuer, das sich immer mehr verstärkt. Plötzlich wird die Tür zum Unterstand aufgestoßen und ein Soldat mit deutschem Helm ruft: „Lebt hier noch jemand?“ Es war der Führer der einen Kompanie des Infanterie-Regiments 78, dem Oberstleutnant Dürr schon vor der Rückkehr des Hauptmann Freiherr von Buttlar den Befehl zu Vorgehen erteilt hatte. So wurden die  Stäbe des Regiments und I. Bataillons aus einer höchst gefahrvollen Lage befreit, die vermutlich allen Eingeschlossenen dasselbe Schicksal bereitet hätte wie den Artilleristen im benachbarten Unterstand. Eine Ordonanz war während der Einschließung das Opfer eines verirrten Geschosses geworden. Unbemerkt war ihr Tod geblieben.

Die Marokkaner hatten sich auch bereits eine Batterie Feldartillerie 54 bemächtigt, die 400 Meter vom Gefechtsstand des II. Bataillons entfernt stand. Der Batterieführer, Hauptmann Bräuer, eroberte sie mit Hilfe der beiden Kompanien des Infanterie-Regiments 78, die sofort zum Gegenangriff vorging, zurück. 8.50 Uhr vormittags wurden auch drei Kompanien des Infanterie-Regiments 192 zum Gegenstoß angesetzt. Der Feind wurde zurückgeworfen und nach etwa 4 Stunden auch der eingeschlossene Stab des Leib-Bataillons befreit. Die 7. Kompanie unter Rittmeister Freiherr von Löhneysen ging aus der Flanke gegen die zurückweichenden Marokkaner vor und brachte ihnen starke Verluste bei. Auch Teile der 5. Kompanie beteiligten sich daran. Das I. Bataillon in der Stellung machte z. T. kehrt und beschoss den zurückweichenden Feind ebenfalls mit gutem Erfolg. 2 Uhr nachmittags war der größte Teil der Stellung des Leib-Bataillons wieder genommen. Bis 8 Uhr abends wurde um einzelne Grabenstücke im Handgranatenkampf noch heftig gekämpft. Dann war der Feind auch hier völlig erledigt und die Stellung restlos wieder in deutschem Besitz.

Der mit so großem Kraftaufwand ins Werk gesetzte Durchbruchsversuch der Franzosen war an der Zähigkeit der deutschen Infanterie gescheitert. Den Franzosen blieb ihr Ziel, das sie nach dem Befehl Joffres erreichen sollten, ohne Ruhe und Rast den Angriff fortzusetzen bis zum endgültigen Siege und den Feind aus dem Lande hinauszuwerfern, auch diesmal versagt. Auch Infanterie-Regiment 92 hatte dem Ansturm tapfer getrotzt.  Wo es aber dem Feinde gelang, in die Stellung einzudringen, konnten ihm nur noch wenige entgegentreten, die bis zum letzten Atemzug die Stellung verteidigten. Die schwere Nervenprobe war glänzend bestanden, und das Regiment hatte berechtigte Veranlassung, sich in stolzer Siegesfreude zu straffen.

Von der 11. und 12. Kompanie kehrten nur je drei Mann aus der Stellung zurück. Die 9. Kompanie hatte 30 Tote und 50 Verwundete. Sie verfügte z. Zt. nur über 40 Gewehre. Aber die Verluste des Feindes allein an Toten zählten nach vielen Hunderten. – Das Leib-Bataillon wurde am 06.10. abends durch das I. Bataillon Infanterie-Regiment 74 abgelöst und ging als Korpsreserve in das Lager Kaisertreu.

Die 6. Kompanie, seit 4 Uhr abends in der Reservestellung Infanterie-Regiment 91, wurde am 06.10. in die Stellung bei diesem Regiment eingesetzt und warf mit ihm die Franzosen wieder aus dem Graben heraus. Sie nahm dabei 3 französische Offizierstellvertreter und mehrere Mannschaften gefangen. Einige Gruppen waren in der allgemeinen Verwirrung in die Reservestellung des Infanterie-Regiments 78 gelangt. Sie beteiligten sich an der Wiedernahme der Geschütze und halfen nach Eintreffen von drei Munitionswagen der Batterie, unermüdlich Geschosskörbe heranzuschleppen, so dass diese bald wieder das Feuer aufnehmen konnte. Feldwebel Schmidt und Gehrke wurden verwundet, Offizierstellvertreter Bock starb den Heldentod. Am Abend dieses Tages konnte das Regiment endlich verpflegt werden.

Die Kraft der feindlichen Offensive war gebrochen. Zwar legte die feindliche Artillerie auch in den nächsten Tagen starkes Feuer auf die Stellungen um das Hintergelände, die beim I. und II. Bataillon größere Verluste bewirkten. Die Gräben der 1., 4. und 10. Kompanie hatten beim Angriff am 06.10. besonders gelitten. Sie mussten wieder verstärkt werden. Hauptmann Freiherr von Buttlar zeigte sich trotz der vorangegangenen Tage völlig auf der Höhe seiner bisherigen Leistungsfähigkeit.“

Man begrub Wilhelm Richter auf dem Garnisons-Friedhof Saarlouis Block 1, Reihe 2, Grab 16.

Grab von Wilhelm Richter auf dem Garnisonsfriedhof Saarlouis

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 23: Lorenz Sörensen

Der Soldat Lorenz Sörensen stammte aus Kraulund bei Tondern. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Infanterist in der 7. Kompanie des 92. Infanterie-Regiments. Am 29.09.1915 wurde er an der Marne bei Somme-Py (Grand Est) schwer verwundet. Am 17.10.1915 verstarb er an seiner Verwundung im Reserve-Lazarett Saarlouis.

Man begrub Lorenz Sörensen auf dem Garnisons-Friedhof Saarlouis in Block 1, Reihe 4, Grab 49.

Grab von Lorenz Sörensen auf dem Garnisonsfriedhof Saarlouis

Soldatenschicksale des 2. Weltkrieges Teil 20: Stabsveterinär Hugo Wertheim

Der Soldat Hugo Wertheim wurde am 02.11.1869 in Oestrich geboren, einem Stadtteil der Stadt Iserlohn im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen, und war Schlachthausdirektor in Saarlouis. Im Ersten Weltkrieg diente er als Stabsveterinär und  Oberveterinär im Stab des Ersatz-Bataillons des 12. Fußartillerie-Regiments. Am 10.06.1915 verstarb er im Alter von 45 Jahren im Sankt Christiana Lazarett in Metz an einer Krankheit.

Man begrub Hugo Wertheim nach Überführung seines Leichnams in die Heimat auf dem Garnisonsfriedhof Saarlouis.

Hugo Wertheim war jüdischen Glaubens.

Grab des Stabsveterinärs Hugo Wertheim auf dem Garnisonsfriedhof Saarlouis

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 11: Musketier Michael Spielmann

Der Soldat Michael Spielmann wurde am 24.11.1898 in Hunspach geboren, welches heute zum Departement Grand Est in Frankreich gehört, und war Landwirt. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Musketier in der 3. Kompanie des 174. Infanterie-Regiments. Am 14.12.1916 verstarb er im Reserve-Lazarett III in Saarbrücken im Alter von 18 Jahren an einer Krankheit.

Man begrub Michael Spielmann auf dem Saarbrücker Friedhof Alt-Saarbrücken in Block 23, Grab 156.

Grab des Musketiers Michael Spielmann auf dem Friedhof Alt-Saarbrücken

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 9: Mathias Winter

Bei meiner letzten Reise in meine Heimat, das Saarland, stieß ich im Überherrner Ortsteil Berus auf das Grab von Mathias Winter. Er stammte aus dem Ortsteil Altforweiler der saarländischen Gemeinde Überherrn. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Infanterist in der 12. Kompanie des 132. Infanterie-Regiments. Am 29.03.1916 verstarb er nach schwerer Verwundung während der Schlacht um Verdun, im Reserve-Lazarett Bad Kreuznach.

Man überführte seinen Leichnam in seine Heimat und begrub ihn auf dem Friedhof Berus in einem Einzelgrab.

Grab von Mathias Winter in Berus

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 5: Oberleutnant Franz Graf von Armansperg

Der Soldat Graf Franz Anton Kajetan Joseph von Armansperg wurde am 24.03.1887 in der bayerischen Stadt Regensburg geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Oberleutnant und Adjutant im Stab des III. Bataillon des bayerischen Infanterie-Leib-Regiment. Am 12.08.1914 fiel er im Alter von 27 Jahren bei Fenneviller – Badonviller.

Über den Todestag und die Todesumstände von Oberleutnant Graf Franz von Armansperg berichtet die Regimentsgeschichte des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments:

„Seit 4 Uhr vormittags ist der Oberst aus seinem Zelt. Mit aufgeschlagenem Kragen und die Hände in den Taschen geht er mit seinem Adjutanten frierend auf und ab, denn es ist bitterkalt an diesem Morgen. Er wartet auf den Angriffsbefehl, von dem man gestern gesprochen. „Wenn er nur bald käme, es wird ja immer heller.!“ 5 Uhr, 6 Uhr, aber immer ist noch kein befehl eingetroffen. Da hält’s der Oberst nimmer länger aus und schickt den Adjutanten zurück zum Brigadestab. Bald hat dieser das Brigadestabsquartier erreicht; dort erfährt er, dass der Divisionsbefehl für den heutigen Tag noch nicht ausgegeben, dass ein Angriff für heute jedoch sicher nicht beabsichtigt sei. Tatsächlich war dem auch so. Die Entscheidung bei Mühlhausen war gefallen, der Feind geschlagen. Auch war der Vorstoß des I. bayerischen Armee-Korps wirksam gewesen und hatte mehrere von Westen gegen die Vogesen marschierende Kolonnen auf sich bezogen. Heute sollte das Korps nun ruhen und seine Versammlung beenden.

Enttäuscht reitet der Adjutant zum Regimente zurück. Wie er sich dem Biwakplatz des III. Bataillons näherte, sieht er, wie das Bataillon eben abmarschiert. Ein Schenkeldruck und im Galopp zum Oberst, um ihm zu melden, was die Brigade mitgeteilt, und dass das Regiment bis auf weiteres in seiner augenblicklichen Stellung bleiben solle. Doch da lacht der Oberst, der selbst auch schon aufgesessen war, und zeigt dem Adjutanten eine vom II. Bataillon übersandte Meldekarte folgenden Wortlauts: 6 Uhr vormittags. Die 6. Kompanie wurde angegriffen. Darauf ging sie zum Angriff vor. Ich greife mit II./L. an. 6. Kompanie schon weit vorn. A. B. Bothmer.“ Und weiter sagt der Oberst: „Wie das II. Bataillon angegriffen hat, hat sich auch das I. Bataillon angeschlossen. Und nun habe ich selbstverständlich auch das III. Bataillon antreten lassen.“ Rasch jetzt noch eine Meldung an die Brigade geschrieben, dass das II. und I. Bataillon in Richtung Badonviller angreifen, und dass das III. Bataillon durch die Waldungen links an Badonviller vorbei, nachfolge. Dann sprengt der Oberst mit seinem Adjutanten dem II. Bataillon nach, Badonviller zu.

6 Uhr vormittags war die Feldwache des Leutnants Hans Freiherr von Speidel, die abends vorher bei Dunkelheit vorgeschoben worden war, von französischem Feuer überfallen worden. Sie konnte sich auf ihrem Platze halten. Hauptmann Robert Graf von Bothmer, der Chef der 6., war aber nicht der Mann, vor feindlichem Feuer nach rückwärts auszuweichen und die Feldwache zurückzunehmen. Angriffe der ganzen Kompanie, das war seine Antwort, die er dem Feinde gab.

„Und wie es kam?“ sagte Bothmer, „ohne Befehl, ohne Artillerie? Ja, wie es kam! Frage einen gesunden, jungen Burschen, wie es kam, als man ihn so nah mit einem bildhübschen jungen Mädel allein ließ! Es war der erste Augenblick am Feind nach 50 Friedensjahren, und in unsern Adern stürmte und wogte das Blut siedend heiß: die Leiber lassen sich von dem frechen Gegner nicht angreifen, sie schlagen selber los.!

Bothmer meldete seinen Entschluss dem Bataillons-Kommandeur und bat gleichzeitig um Unterstützung durch andere Teile des Bataillons. Dann, etwa 6.30 Uhr vormittags nähert sich seine Kompanie schon dem Ostrande von Badonviller, und gleichzeitig flogen die ersten deutschen Granaten in den Ort. Die Kompanie wollte indes nicht langwierige Artillerievorbereitung, sondern stürmen, nur stürmen. Artillerieflaggen, wie im Manöver, hatte sie nicht bei sich, Telefone gab es damals auch noch nicht bei den Kompanien, also blieb nur ein Behelfsmittel: die Kompanie band Taschentücher an die Gewehrmündungen und schwenkte ihre Gewehre hin und her. Die Artillerie schien dies Zeichen auch tatsächlich verstanden zu haben und verlegte ihr Feuer. Aber auch der Franzose wusste nun, wo er seinen Feind zu suchen hatte und mit einem Hagel von Geschossen überschüttete er die Leiber. Hierbei wurde Leutnant Graf von Moy, der sich nach Rückkehr von seinem nächtlichen Patrouillengang der 6. Kompanie angeschlossen hatte, verwundet, Leutnant Hans Freiherr von Speidel erhielt einen Streifschuss, und Leutnant der Reserve Spegg kommandierte eben mit schallender Stimme seinem Zuge: „Sprung auf! Marsch! Marsch!“, als er in den Mund getroffen tot zusammenstürzte.

Major Epp, der Kommandeur des II. Bataillons, war inzwischen dem Antrag der 6. Kompanie um Unterstützung nachgekommen. Sein Angriffsbefehl besagte, dass das II. Bataillon aus der bisherigen Stellung heraus sofort in rein südlicher Richtung Badonviller anzugreifen habe. Rechts sollte die 7. Kompanie in erster Linie sein, in der Mitte die 5. und links, der Straße entlang, die 6. Kompanie. Die 8. Kompanie sollte als Bataillonsreserve der 6. folgen. Durch eine Ordonanz wurde das I. Bataillon verständigt und um Mitwirkung gebeten. An das Regiment ging die vom Bataillons-Adjutanten Fritz von Bothmer „a. B.“ unterzeichnete Meldung ab.

Entsprechend dem Bataillonsbefehl hatte die 5. Kompanie und zwar vorerst mit dem Zuge des Leutnants Wilhelm Freiherr von Lamezan an die 6. Anschluss gewonnen. Nicht lange dauerte es mehr und beide Kompanien drangen, wenn auch unter erheblichen Verlusten, als erste in Badonviller ein. Scheinbar hatten sie die Franzosen vertrieben, denn das feindliche Feuer war gänzlich verstummt. Die Kompanien sandten daher sofort schwachen Schützenschleier weiter in den Ort, während der Rest in Gruppenkolonne sammelte, um geschlossen nachzurücken. Da aber zischte völlig überraschend aus nächsten Nähe ein in einem Hause verstecktes Maschinengewehr in die Kolonnen hinein und hielt grausige Ernte. Viele brave Leiber fielen und der Chef der 5. Kompanie, Hauptmann Eduard Freiherr von Falkenhausen wurde schwer verwundet. Leutnant Freiherr von Lamezan übernahm die Führung der 5. Kompanie. In kleinen Sprüngen, jeder Zug sich selbst überlassen, ging es dem unsichtbaren Feinde entgegen. In der Hauptstraße entwickelte sich besonders heftiger Häuserkampf. Aus allen Fenstern und Dachliken fielen Schüsse, Tote und Verwundete, Leiber und Franzosen, bedeckten die Straßen. Schritt für Schritt kämpften sich die Züge vorwärts und erreichten endlich den Westrand des Ortes. Hierbei gab der Bataillonskommandeur seinen Leibern ein prachtvolles Beispiel heldenhafter Tapferkeit. Der 5. und 6. folgte kämpfend die 8. Kompanie, während die am weitesten rechts angesetzte Kompanie, die 7., Badonviller nördlich umging. Am Rangierbahnhof angelangt, war sie das Ziel mörderischen Feuers geworden. Zwei Zugführer, Oberleutnant der Reserve, Leo Freiherr von Bechtholsheim (Leo Freiherr von Mauchenheim genannt Bechtolsheim * 17.09.1882 Schloss Hohenburg, Gemeinde Lenggries, + 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab) und Leutnant der Reserve Aull erhielten Schüsse und lagen mit anderen Verwundeten auf den Gleisen. Lange ging der Feuerkampf hin und her, währenddessen Bechtolsheim und Aull ein zweitesmal getroffen wurden, diesmal tödlich. Später stürmte die Kompanie den Bahnhof, ihr tapferer Führer, Hauptmann Raila, das Gewehr eines Gefallenen in der Hand, an der Spitze. Der Bahnhof, die umliegenden Häuser und Cafes wurden in wildem Sturme genommen. Sodann trat die Kompanie in Gruppenkolonne an, machte auf Kommando ihres Chefs einige stramme Griffe, und dann ging es im Gleichschritt mitten durch Badonviller hindurch, vorbei an den Spuren der Kämpfe der 5. und 6. Kompanie, dem Westrande zu, zum Stab des II. Bataillons. „Gut habt ihr Eure Sache gemacht!“ rief der Vataillonskommandeur seiner Siebenten entgegen, und diese dankte das Lob mit brausendem Hurra.

Major Epp ging jetzt – es war inzwischen 8.30 Uhr vormittags geworden – mit seinem Bataillon vom Westrand Badonviller in rein westlicher Richtung wieter vor. Das Bataillon hatte also eine volle Viertelschwenkung rechts gemacht. Da sah die 5. Kompanie plötzlich etwa 400 Meter vor sich eine französische Chasseurs-Abteilung im Zurückgehen. Im Nu warf sie sich in Stellung und eröffnete ein gutsitzendes Feuer. Doch rasch war der Feind in einer Mulde verschwunden. Die Kompanie, sofort nachstoßend, geriet nun selbst in schweres Infanteriefeuer von vorne und von beiden Seiten. Der Bataillonskommandeur setzte daher rechts von ihr die 8. Kompanie ein. Beide Kompanien mussten hier nun auf sehr ausgesetztem Posten in schwerem Feuerkampfe aushalten. Auch gesellten sich zu dem feindlichen Infanteriefeuer alsbald Granaten und auch Schrapnells. Leutnant Freiherr von Lamezan wurde schwer verwundet und musste seine Befehle durch den Mund seines Dieners geben. Auch die Zugführer Leutnant der Reserve Bems und Leutnant der Reserve Moßdorf, beide von der 8. Kompanie, wurden verwundet. Die 6. und 7. Kompanie hatte der Bataillonskommandeur als Reserve am Hang südwestlich Badonviller bei sich zurückbehalten, nur ein Zug der 7. Kompanie hatte noch eine zwischen 8. und 5. Kompanie enstandene Lücke auszufüllen. So blieb bis zum Abschluss des Gefechts die Lage beim II. Bataillon. Bis zum Eingreifen des I. und dann später des III. Bataillons waren die 5. und 8. Kompanie die einzige Zielscheibe des gegenüberliegenden Feindes und hatten schwer zu leiden; dann aber wurden sie wesentlich entpastet.

Das I. Bataillon wurde 6 Uhr vormittags durch die ihm durch eine Ordonnanz des II. Bataillions mitgeteilte Angriffsabsicht völlig überrascht. Doch war es für den Bataillionskommandeur Wilhelm Freiherr von Freyberg selbstverständliche Kameradenpflicht, das II. Bataillon zu unterstützen. Er trat daher in kürzester Zeit mit seinem Bataillon von den Höhen südlich und südostwärts Les Carrieres mit der Absicht an, ostwärts an Badonviller vorbeizustoßen. Die 4. Kompanie wurde sogleich zum Schutze des linken Flügels des II. Bataillons bis an den ostwärts der Straße nach badonviller gelegenen Waldzipfel vorgeschoben. Während dieser Bewegungen kämpfte das II. Bataillon bereits in Badonviller.

Kampflos erreichte das Battailon sein erstes Ziel, eine Mulde unmittelbar südostwärts Badonviller. Beim Vorgehen dorthin hatte die 3. Kompanie unter Hauptmann von Wenz und auch die 4. Kompanie den äußersten Ortsteil durchstreift, ohne hierbei auf den Feind zu stoßen. Der Bataillonskommandeur verfolgte nun von den Hängen um Badonviller das Vorgehen des II. Bataillons und hatte auch dessen Abschwenken in westlicher Richtung festgestellt. Auch er musste also, wollte er an das II. Bataillon Anschluss behalten, seinem Bataillon zu weiterem Vorwärts neue Richtung geben. Er setzte daher seine 3. und 1. Kompanie zum Angriff auf Fenneviller an, während die 2. und 4. Kompanie als Bataillonsreserve in zweiter Linie zu folgen hatten. Nach schwieriger Vorwärtsbewegung erreichten die vordertsen Zöge der 3. und 1. Kompanie endlich Fenneviller und drangen in den Ort, auf dem deutsches und französisches Artilleriefeuer lag, ein. Feindliche Gewehrschüsse forderten bei allen Kompanien manche Opfer; so wurde hier auch Leutnant der Reserve Schmitt, ein Zugführer der 4. Kompanie, verwundet. Zur Entlastung der vorderen Kompanien ließ der Bataillonskommandeur die 4. Kompanie links verlängern. Die Kompanie geriet dabei in eine recht ungünstige Lage, da sie überraschend aus dem Walde in ihrer linken Flanke stark beschossen wurde. Es entspann sich ein heftiges Feuergefecht, die Kompanie erlitt erhebliche Verluste, auch ging ihr allmählich die Munition aus, obwohl die Verwundeten aus freien Stücken all ihre Patronen anboten. In der Kenntnis, dass für die vordere Linie in ihrem schweren Feuerkampfe nunmehr Unterstützung dringend notwendig wurde, ließ der Bataillonskommandeur die 2. Kompanie in sie einschieben. Von dieser Kompanie wurde Oberleutnant Freiherr von Krauß schwer verwundet; seinen Zug übernahm der junge Leutnant Graf Treuberg; eine halbe Minute darauf brach dieser tödlich getroffen zusammen. 3 – 4 Stunden lag nun das I. Bataillon in unmittelbarem Anschluss an das II. in heftigstem Feuer; trotz aller Anstrengung gelang es ihm nicht, die Feuerüberlegenheit gegen dem meist unsichtbaren Feind zu gewinnen. Die Verluste unter Offizieren und Mannschaften mehrten sich in erschreckender Weise. Der Bataillonskommandeur, die Chefs der 1. und 4. Kompanie, die Hauptleute Richard und Wilhelm Freiherr von Falkenhausen, Leutnant der Reserve Griebenow der 4. Kompanie, sowie Fähnrich Freiherr von Pechmann und viele brave Unteroffiziere und Leiber wurden verwundet, viele starben den Heldentod. Doch für das ganze I. Bataillon galt nur der Wille, auszuhalten und vorerst das Eingreifen des III. Bataillons abzuwarten. Gleichwie vorher das II. Bataillon Entlastung durch das I. Bataillon herbeigesehnt hatte, so harrte jetzt das I. Bataillon der Unterstützung durch das III. Bataillon.

Auf schäumendem Pferde war der Oberst am Nordausgange von Badonviller angelangt. Von seinen Leibern war da aber nichts zu sehen, auch war zur Zeit kein wesentlicher Gefechtslärm zu hören. Für den Oberst galt es jetzt vor allem, Verbindung mit dem II. und I. Bataillon, die selbsttätig in das Gefecht getreten waren, zu gewinnen und die Gefechtskeitung in die Hand zu nehmen. Das III. Bataillon wusste er auf dem Vormarsch durch den Wald nordostwärts Badonviller.

Eben schickte er sich an, die Hauptstraße in Badonviller vorzureiten, als er auf den Zug Mantel der 5. Kompanie stieß. Oberleutnant der Reserve Mantel berichtete ihm, soweit sie ihm bekannt waren, die bisherigen Begebenheiten beim II. Bataillon und meldete, dass er mit seinem Zuge noch mit im Kampfe stehe. Ein Vorreiten auf der Hauptstraße sei daher völlig ausgeschlossen. Der Oberst versuchte nun abseits dieser Straße nach vorwärts zu kommen und ritt mit dem Regimentsadjutanten und zwei Chevauxlegers durch verschiedene Gärten in das Ortsinnere. Da auf einmal prasselte, eben als die vier Reiter einen Obstgarten durchritten, heftigstes Feuer aus allernächster Nähe auf sie ein. Während es dem Oberst gelang, durch ein kleines Gartentürchen zu entkommen, setzten der Adjutant und die Chevauxlegers über eine Hecke und entzogen sich so dem feindlichen Feuer. Als nun der Adjutant sich bemühte, mit dem Oberst wieder zusammenzukommen, ihn in verschiedenen Gärten vergeblich suchte, und dauernd nach ihm rief, stieß er auf einen Artillerieoffizier, der ihm mitteilte, dass eine Batterie unmittelbar nordostwärts Badonviller in Stellung gegangen sei, dort aber unter heftigem feindlichen Infanteriefeuer aus der Ortschaft leide und dringend Infanteriebedeckung benötige. Der Adjutant, vermutend, dass sein Oberst irgendwo getroffen lag, gab schweren Herzens die Suche nach ihm auf und galoppierte gegen den Wald ostwärts Badonviller, um dem dorthin befohlenen III. Bataillon einen Befehl zum Eingreifen zu geben und um eine Kompanie als Artilleriebedeckung anzuweisen. Als er den Waldrand erreichte, traf eben auch das III. Bataillon dort ein, Major Euler, Hauptmann Freiherr von Feury und Oberleutnant Graf Armansperg zu Fuß an dessen Spitze. Der Adjutant wies das Bataillon an, unverzüglich an Badonviller südlich vorbeizugehen und links vom I. Bataillon in den Kampf einzugreifen. Als Artilleriebedeckung wurde die 11. Kompanie unter Hauptmann Graf Spreti abgesondert.

Als der Regimentsadjutant wieder am Nordosteck von Badonviller eintraf, sah er schon von weitem dort seinen Oberst stehen. Unversehrt! Der aber hatte inzwischen eine Leibertat begangen, die ein glänzend Vorbild war persönlicher Tapferkeit dem ganzen Regimente. Es war dem Oberst, wie er Deckung suchte vor dem mörderischen Feuer, das Pferd erschossen worden. Zu Fuß eilte er daher weiter und fand endlich Schutz hinter einer Mauer. Da fiel ihm plötzlich ein, dass am Sattel des Pferdes ja noch des Prinzen Arnulf Säbel befestigt sei. Ohne zu zaudern und nicht achtend der erneut auf ihn abgegebenen Schüsse sprang der Oberst wieder an sein Pferd heran und löste den Säbel. Wie durch ein Wunder nur blieb er unverletzt bei dieser Heldentat.

Inzwischen war auch die Maschinengewehr-Kompanie als Regimentsreserve mit freigemachten Gewehren von Les Carrieres her am Nordrand von Badonviller eingetroffen. Während der Zug Wolfrum dem II. Bataillon zur Verfügung gestellt wurde, rückte der Zug des Oberleutnant Freiherr von Riedheim zum I. Bataillon, wo er aus einem Garten von Fenneviller mit gutem Erfolge gegen zurückgehende Teile des Feindes wirken konnte. Auch eine Gruppe der 10. Kompanie war beim Regimentsstabe eingetroffen, es war eine jener Gruppen, die am 9. August als Straßensperre gegen die Vogesen zurückbelassen war. Nach Erledigung ihrer Aufgabe rückte sie heute heran, und als sie auf ihrem Anmarsche Gefechtslärm hörte, und erfuhr, dass das Leibregiment im Kampfe stehe, da gab es für diese braven Leiber nur den einen Wunsch, noch rechtzeitig zum Gefecht ihres Regiments zu kommen. Im Eil- und im Laufschritt rückten sie an, keuchend und schweißbedeckt, und ihre Freude war groß, als sie hörten, noch nicht zu spät gekommen zu sein. Mit dieser Gruppe, mit ein paar Ordonnanzen und mit dem Maschinengewehr-Zug des Oberleutnants Graf Holnstein kämpfte sich der Regimentsstab zum Stabe des in einer Mulde westlich Badonviller gelegenen II. Bataillons vor. Noch war hiebei mancher Widerstand im Orte zu brechen; doch Holnsteins Maschinengewehre taten ganze Arbeit.

Das III. Bataillon setzte, nachdem es vom Regimentsadjutanten Weisung erhalten hatte, vorerst seinen Marsch längs der Waldränder fort und rückte zunächst auf die Höhe 391 südlich Badonviller. Von hier aus begann es mit der 10. und 9. Kompanie in vorderer Linie, mit der 12. Kompanie links gestaffelt, den Angriff gegen Fennewiller. Anfangs gewann das Bataillon gut Raum; als es aber aus dem Walde ostwärts Fenneviller auf freies Feld trat, da empfing es ein wahrer Hagel von Infanterie- und Maschinengewehrgeschossen. Der Feind schien sich hauptsächlich in Fenneviller und in dem mit Fenneviller fast zusammenhängenden Pexonne  eingenistet zu haben. Hohe Getreidefelder und Kartoffeläcker behinderten den liegenden Schützen des Bataillons den Blick nach dem Feinde. Die Verluste mehrten sich, und schon war es notwendig geworden, zwei Züge der 12. Kompanie in die vordere Linie zu nehmen. Da rief der todverachtende Kommandeur, Major Euler, seinen Leuten zu: „Wir müssen vorgehen!“ und riss sein Bataillon durch sein persönliches Beispiel mit vor. Obwohl bald verwundet durch einen Knieschuss, behielt er die Führung bei. Endlich, nach einigen Sprüngen, gelang es den Kompanien, des Feindes ansichtig zu werden und ihn unter gezieltes Feuer zu nehmen. Da wurde Major Euler ein zweites Mal getroffen, diesmal tödlich. An der Spitze seines Bataillons, dieses zum Siege führend, für das Vaterland zu sterben, bis zum letzten Atemzuge ein leuchtendes Beispiel seinen Kompanien, das war Eulers stolzes Schicksal geworden. Und unmittelbar nach ihm wurde sein treuer Adjutant, Oberleutnant Franz Graf Armansperg, durch ein Schrapnell so schwer getroffen, dass er bald darauf entschlief. Während einer kurzen Wiedererlangung des Bewusstseins fragte er noch: „Haben wir gesiegt?“ und auf die ihm gewordene Antwort „Ja“ spielte ein leises Lächeln um seine Züge. Und wie Euler an der Spitze seines Bataillons, so starb Hauptmann Freiherr von Feury, der Chef der Neunten, den Heldentod an der Spitze seiner Kompanie. Sein Geist aber lebte weiter in den Reihen der von ihm erzogenen Mannschaften, die von ihrem toten Hauptmann nicht wichen, wenn auch ganz besonders schweres Maschinengewehrfeuer aus den verstecken von Pexonne gerade jetzt erschreckend unter ihnen wütete. Schwere Minuten galt es da zu meistern. Erst als Leutnant der Reserve Egger der 12. Kompanie mit seinem Zuge unter bedeutenden Verlusten bei Pexonne eingedrungen und Feldwebel Schaller mit Mannschaften der 10. und 12. Kompanie gegen ein von links in die Flanke schießendes Maschinengewehr vorgegangen war, wurde die Lage der 9. Kompanie wieder erträglicher. Auch die rechts von der 9. eingesetzte 10. Kompanie bekam wieder Luft und ging mit inzwischen als Artilleriebedeckung frei gewordenen Teilen der 11. Kompanie nun gleichfalls gegen den Ostrand von Pexonne vor.

So waren also nach und nach die drei Bataillone des Regiments nebeneinander ins Gefecht getreten. Von 12 Uhr mittags an waren sie unbestrittener Herr von Badonviller und Fenneviller. Der Feind war, wo er sich vorher zäh verteidigt hatte, gewichen und hatte jeden weiteren Widerstand aufgegeben. Da das Regiment nach einem eingetroffenen Divisionsbefehl die Linie Neuviller – Höhen östlich Badonviller nicht überschreiten sollte – dieser Befehl war durch die Ereignisse allerdings längst überholt – ließ der Oberst das Signal „Das Ganze! Halt!“ blasen und befahl den Bataillonen, sich in ihren Stellungen nach Ordnung der Verbände zur Verteidigung einzurichten. Und wo noch vor kurzer Zeit heftiger Feuerkampf gewütet hatte, da standen jetzt, wie nach beendeter Manöverübung, Gruppen von Leibern und setzten Gewehre zusammen.

Das Regiment hatte seinen ersten Sieg erfochten. Es hatte einen zur Verteidigung eingerichteten Feind angegriffen, der wohl bei voller Würdigung der Lage nur planmäßig und mit Artillerieunterstützung hätte angegriffen werden sollen. Aber der unübertreffliche, prachtvolle Angriffsgeist der Leiber hat die Nachteile einer taktisch vielleicht nicht ganz gerechtfertigten Fechtweise nicht zur Wirkung kommen lassen. Ehe sich es der Franzose versah, saß ihm der Leiber an der Kehle. Und wenn der Angriff des Leibregiments an diesem Tage auch nicht in der Absicht der höheren Führung gelegen war, so war er doch zum großen Erfolge geworden. Nicht nur, dass hier am Nordabhange der Vogesen der Deutsche unzweifelhaft den ersten Sieg errungen hatte, die Wucht des Leiberangriffs hatte auch entschieden dazu beigetragen, einen Durchbruch starker feindlicher Kräfte zu durch die Vogesen in die Rheinebene zu vereiteln. So kennzeichnet denn auch ein späterer Tagesbefehl des Generalkommandos den operativen Wert des Gefechts von Badonviller wie folgt: „Das Armeekorps hatte die Aufgabe, vorzustoßen und starke Kräfte auf sich zu ziehen. Durch die seltene Tapferkeit der Truppen ist dies völlig gelungen; eine starke Übermacht setzte der Gegner gegen uns an, da ihn der kühne Vorstoß gegen Badonviller irregeleitet hatte.“

Die höhere Führung hatte am Morgen des Tages in das Gefecht erst dann eingreifen können, als Badonviller längst schon genommen war. Der brigadekommandeur sandte etwa 8.30 Uhr vormittags die Brigadereserve, die 5./1. Infanterie-Regiment nach Badonviller, wo sie noch in den Häuserkampf verwickelt wurde und beorderte die 1. Abteilung des 7. Feldartillerie-Regiments nach Les Carrieres, von wo aus zwei Batterien das Feuer aufnahmen. Eine dritte Batterie wurde dann später an den Nordrand von Badonviller vorgeworfen. Der Divisionskommandeur stellte seinerseits das I. Bataillon des 16. Infanterie-Regiments und die 1. Abteilung des 1. Feldartillerie-Regiments zur Verfügung. Die beiden Eskadrons der Division wurde zur Sicherung und Aufklärung in die linke Flanke der 1. Infanterie-Brigade entsandt. Das rechts vom Leibregiment stehende 1. Infanterie-Regiment wurde angewiesen, durch einn Vorstoß nach Süden das Leibregiment zu entlasten. Auch die 2. Infanterie-Division wurde gebeten, von Halloville auf Ancerviller vorzustoßen. Bis indessen diese Maßnahmen wirksam werden konnten, hatte das Leibregiment schon längst seine Arbeit getan und den Feind geworfen.

Zwischen 10 und 11 Uhr vormittags begann die Artillerie sich umzugruppieren. Batterien der 1. Abteilung 7. Feldartillerie-Regiment, später auch der 1. Abteilung 1. Feldartillerie-Regiment gingen unmittelbar westlich Badonviller in Stellung. Mit lautem Jubel begrüßten die Leiber jeden bellend aus den Rohren fahrenden Schuss. Die 3. Batterie des 7. Feldartillerie-Regiments, die kurze Zeit auf einer Höhe südlich Badonviller in Stellung war, ging 10.30 Uhr östlich Fenneviller in offener Feuerstellung und zwang eine feindliche Batterie südlich Pexonne, die dem I. Bataillon sehr unangenehm geworden war, in kurzer Zeit zum Schweigen.

Während die Bataillone des Regiments unbehelligt vom Feinde ihre Verbände ordneten, war es in Badonviller selbst immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Immer wieder fielen einzelne Schüsse. Besonders in Gegend der Kirche und des Hauptplatzes hielten sich noch Versprengte verborgen und belästigten die den Ort absuchenden Kompanien des I. Bataillons. 16. Infanterie-Regiments. Im Laufe der ersten Nachmittagsstunden war auch das vom Divisionskommandeur nachgezogene 2. bayerische Infanterie-Regiment in Badonviller eingetroffen. Um gegen neue Feuerüberfälle gesichert zu sein, nahm das vorderste Bataillon dieses Regiments dem Bürgermeister von Badonviller an seine Spitze. Mit einer langen weißen Fahne in der Hand hatte dieser die eigenen Landsleute vom Schießen abzuhalten. Trotzdem wurde das vorderste Bataillon plötzlich von einem Hagel von Geschossen überschüttet. Unglücklicherweise befand sich befand sich zu gleicher Zeit die endlose Wagenkolonne mit den Verwundeten des Leibregiments auf den Straßen. Gar manche der Verwundeten wurde ein zweites mal getroffen. Einzelne Wagenbespannungen, deren Lenker getroffen waren, wurden scheu, und in wilder Flucht rasten mit Schwerverwundeten beladene Fahrzeuge die im Kreuzfeuer liegenden Straßen. Aber bald machten die Zweier und Sechzehner kurzen Prozess, wie am 10. August die Leiber in Parux. Wo geschossen wurde, wurde nach Kriegsrecht verfahren.

Von 4 Uhr nachmittags an wurde das Leibregiment auf Befehl der 1. Division durch das 2. Infanterie-Regiment abgelöst. Seine Bataillone sammelten in der Nähe des Regimentsstabes westlich Badonviller.

Etwa 5 Uhr nachmittags begann plötzlich wieder französisches Maschinengewehrfeuer in der Ortschaft. Vom Kirchturm herab beschoss ein wider alles Erwarten dort oben noch versteckt gehaltenes Maschinengewehr das auf dem Marktplatz rastende I. Bataillon 16. Infanterie-Regiment Hauptmann von Bomhard des 1. Feldartillerie-Regiment mit seiner Batterie beim Stabe des Leibregiments mit Front nach Westen stehend, ließ ein Geschütz wenden und schoss persönlich mit direktem Schuss auf das Fenster des Kirchturms. Schon der erste Schuss fuhr mitten ins Fenster hinein; das Maschinengewehr aber war verstummt für immer. Währenddessen herrschte auf  auf dem Biwakplatze des Regiments reges Leben; die Feldküchen kamen angefahren und brachten die Mittagskost; nach der Entspannung des Gefechts wurden Hunger und Appetit der Leiber nur noch übertroffen durch brennenden Durst, den ungezählte, immer wieder gefüllte Eimer frischen Wassers kaum zu löschen vermochten.

Ein Divisionsbefehl wurde den Kompanien bekannt gegeben; die Absätze „Feind (mehrere Bataillone mit Maschinengewehre und Artillerie) ist bei Badonviller vom Infanterie-Leibregiment geschlagen worden und befindet sich in fluchtartigem Rückzuge“ und „dem Infanterie-Leibregiment, das ich zu seinem tapferen Verhalten und seinem schönen Erfolge den Glückwunsch des Kommandierenden Generals und meinen eigenen ausspreche“ lösten bei allen Offizieren und Mannschaften begeisterte Hurrarufe aus. Etwa 6.30 Uhr abends, traf der Divisionskommandeur, Generalleutnant von Schoch, persönlich beim Regimente ein; unvergesslich wird es jedem Augenzeugen bleiben, wie er den siegreichen Regimentskommandeur umarmte und ihn zu dem herrlichen Siege seine Regiments beglückwünschte. Kurz darauf konnte den Bataillonen noch ein anderer Divisions-Befehl verlesen werden folgenden Wortlauts: „Seine Exzellenz der Kommandierende General lässt der 1. Infanterie-Brigade zu ihrer Haltung und zu ihrem Erfolge, besonders dem Infanterie-Leibregiment, gratulieren. Ich bin stolz, eine solche Prachttruppe, als die sich heute das Infanterie-Leibregiment und das 1. Infanterie-Regiment erwiesen haben, unter meinem Befehl zu wissen.

Im weiteren Verlauf des Nachmittags begruben die Leiber ihre toten Kameraden, manche draußen, da wo sie ihr Leben gegeben haben für des Regimentes Ehre, manche drinnen im Friedhof von Badonviller. Ein einfach Holzkreuz, ein Busch Rosen oder Nelken oder ein Feldblumenstrauß schmückten die Gräber der 7 Offiziere und 90 Unteroffiziere und Leiber, denen heute so früher, aber herrlich schöner, durch Sieg gekrönter Soldatentod beschieden war. Unvergessen bleibt uns ihr Name, unvergessen ihr Vorbild, unvergessen ihr durch Tod besiegelte Treue. Ehrend werden wir aber auch immer der 14 verwundeten Offiziere und 308 verwundeten Unteroffiziere und Leiber gedenken. Stundenlang mussten die Schwerverwundeten in glühender Sonnenhitze, auf Leiterwagen gelegt, ihres Abtransportes harren, und als dieser endlich beginnen konnte, waren die Wehrlosen in den Straßen Badonvillers erneut mörderischem Feuer aus Kellern und Fenstern ausgesetzt. Doch kein Stöhnen und Jammern und Wehklagen war zu hören. Mannhaft trugen sie den Schmerz. Ind als ihnen durch den Regimentsadjutanten mitgeteilt wurde, dass ihr Regiment einen herrlichen Sieg errungen, dass es 800 Gefangene gemacht, dass es zwei Kriegskassen mit 50.000 Francs in Gold erbeutet und weit überlegenen Feind in wildem Anlaufe geschlagen habe, da winkten sie mit matter, blutiger Hand und ein leises Hurrah enthauchte ihren Lippen. Bei manchen allerdings leuchtete nur ihr Blick. Mit Einbruch der Dunkelheit machten sich die Bataillone des Regiments marschfertig. Mitten hindurch durch das brennende Badonviller führte alsdann der Rückmarsch. Welch grausig schönes Bild sich da dem Regiment bot! Hier glühende Balken von den Dächern stürzend, hier helle Flammen aus den Fenstern schlagend, dort grell erleuchtete Rauchschwaden gegen Himmel ziehend. Und an den Straßenecken standen und saßen zusammengerottet Trupps armer Weiber und Kinder, die tagsüber versteckt, jetzt aber vom Feuer aus ihren Schlupfwinkeln getrieben waren. Weiter ging der Marsch hinein in das Dunkel der Nacht, vorbei am stillen Friedhofe. Rückwärts blickend aber sahen wir Tausende von Glutfunken sich hoch hinaufwirbelns über das brennende Dorf als Fanal unseres ersten Sieges.

Bei Neuviller bezog dann in später Abendstunde das Regiment als Divisionsreserve Biwak. Gefühle weher Trauer um die verlorenen Freunde und Kameraden bewegten in jähem Wechsel mit freudigem Stolze ob unseres ersten Sieges unser aller Herzen. Und lange noch floh der Schlaf die müden Augen der um die Feuer sich kauernden Leiber. Ales es aber allmählich ganz stille geworden war, Mitternacht war längst vorüber, das schrieb der Chef der 6. Kompanie die heute losgestürmt war als erste vom Regiment, unser Robert Graf von Bothmer, auf eine Meldekarte wie folgt:

O Badenweiler, schöne Stadt,
Du Perle der Vogesen,
Wie mancher der um dich gefreit
In ungestümer Tapferkeit
Wird nimmermehr genesen!
Die Leiber kamen über Nacht,
Und in des Morgens erster Bracht,
Da hatten sie in Waffentanz
Den allerschönsten Jungfernkranz,
So kennt der Feind am ersten Tag
Der Leiber schweren Kolbenschlag.
Still grub man unsere Toten ein
Auf Siegeshöhen in langen Reihn.
Wir aber hielten Totenwacht!
In hoher Flamme großer Pracht.
Durch Sieg und Tod ewig geeint,
So stehn die Leiber vor dem Feind

Am 13. August hatte sich das I. bayerische Armee-Korps da, wo es stand, einzugraben. Da jedoch der weit vorgeschobene linke Flügel der 1. bayerischen Infanterie-Division gefährdet schien, wurden hier nur Vorposten belassen, während die Division sich auf den Höhen südlich Montreux und Parux zur Verteidigung einzurichten hatte. Vom Regimente wurden im Laufe des Vormittags – nachdem ein vollkommen neue Offizierseinteilung vorgenommen worden war und zwei Bataillone und sechs Kompanien neue Führer erhalten hatten – das I. Bataillon nach Haut d‘ Abre zur Verfügung des 1. Infanterie-Regiments und des II. Bataillons nach Les Carrieres zur Verfügung des Brigadekommandeurs.“.

Man begrub Graf Franz von Armansperg auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab.

Oberleutnant Franz Graf von Armansperg

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 4: Major Karl Euler

Der Soldat Karl Euler wurde am 20.07.1867 in der bayerischen Stadt Würzburg geboren und kämpfte im Ersten Weltkrieg als Major und Kommandeur des III. Bataillon des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments. Am 12.08.1914 fiel er bei Badonviller in Lothringen. Er wurde 47 Jahre alt.

Gefecht bei Badonviller am 12.08.1914

Über den Todestag und die Todesumstände von Major Karl Euler berichtet die Regimentsgeschichte des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments:

„Seit 4 Uhr vormittags ist der Oberst aus seinem Zelt. Mit aufgeschlagenem Kragen und die Hände in den Taschen geht er mit seinem Adjutanten frierend auf und ab, denn es ist bitterkalt an diesem Morgen. Er wartet auf den Angriffsbefehl, von dem man gestern gesprochen. „Wenn er nur bald käme, es wird ja immer heller.!“ 5 Uhr, 6 Uhr, aber immer ist noch kein befehl eingetroffen. Da hält’s der Oberst nimmer länger aus und schickt den Adjutanten zurück zum Brigadestab. Bald hat dieser das Brigadestabsquartier erreicht; dort erfährt er, dass der Divisionsbefehl für den heutigen Tag noch nicht ausgegeben, dass ein Angriff für heute jedoch sicher nicht beabsichtigt sei. Tatsächlich war dem auch so. Die Entscheidung bei Mühlhausen war gefallen, der Feind geschlagen. Auch war der Vorstoß des I. bayerischen Armee-Korps wirksam gewesen und hatte mehrere von Westen gegen die Vogesen marschierende Kolonnen auf sich bezogen. Heute sollte das Korps nun ruhen und seine Versammlung beenden.

Enttäuscht reitet der Adjutant zum Regimente zurück. Wie er sich dem Biwakplatz des III. Bataillons näherte, sieht er, wie das Bataillon eben abmarschiert. Ein Schenkeldruck und im Galopp zum Oberst, um ihm zu melden, was die Brigade mitgeteilt, und dass das Regiment bis auf weiteres in seiner augenblicklichen Stellung bleiben solle. Doch da lacht der Oberst, der selbst auch schon aufgesessen war, und zeigt dem Adjutanten eine vom II. Bataillon übersandte Meldekarte folgenden Wortlauts: 6 Uhr vormittags. Die 6. Kompanie wurde angegriffen. Darauf ging sie zum Angriff vor. Ich greife mit II./L. an. 6. Kompanie schon weit vorn. A. B. Bothmer.“ Und weiter sagt der Oberst: „Wie das II. Bataillon angegriffen hat, hat sich auch das I. Bataillon angeschlossen. Und nun habe ich selbstverständlich auch das III. Bataillon antreten lassen.“ Rasch jetzt noch eine Meldung an die Brigade geschrieben, dass das II. und I. Bataillon in Richtung Badonviller angreifen, und dass das III. Bataillon durch die Waldungen links an Badonviller vorbei, nachfolge. Dann sprengt der Oberst mit seinem Adjutanten dem II. Bataillon nach, Badonviller zu.

6 Uhr vormittags war die Feldwache des Leutnants Hans Freiherr von Speidel, die abends vorher bei Dunkelheit vorgeschoben worden war, von französischem Feuer überfallen worden. Sie konnte sich auf ihrem Platze halten. Hauptmann Robert Graf von Bothmer, der Chef der 6., war aber nicht der Mann, vor feindlichem Feuer nach rückwärts auszuweichen und die Feldwache zurückzunehmen. Angriffe der ganzen Kompanie, das war seine Antwort, die er dem Feinde gab.

„Und wie es kam?“ sagte Bothmer, „ohne Befehl, ohne Artillerie? Ja, wie es kam! Frage einen gesunden, jungen Burschen, wie es kam, als man ihn so nah mit einem bildhübschen jungen Mädel allein ließ! Es war der erste Augenblick am Feind nach 50 Friedensjahren, und in unsern Adern stürmte und wogte das Blut siedend heiß: die Leiber lassen sich von dem frechen Gegner nicht angreifen, sie schlagen selber los.!

Bothmer meldete seinen Entschluss dem Bataillons-Kommandeur und bat gleichzeitig um Unterstützung durch andere Teile des Bataillons. Dann, etwa 6.30 Uhr vormittags nähert sich seine Kompanie schon dem Ostrande von Badonviller, und gleichzeitig flogen die ersten deutschen Granaten in den Ort. Die Kompanie wollte indes nicht langwierige Artillerievorbereitung, sondern stürmen, nur stürmen. Artillerieflaggen, wie im Manöver, hatte sie nicht bei sich, Telefone gab es damals auch noch nicht bei den Kompanien, also blieb nur ein Behelfsmittel: die Kompanie band Taschentücher an die Gewehrmündungen und schwenkte ihre Gewehre hin und her. Die Artillerie schien dies Zeichen auch tatsächlich verstanden zu haben und verlegte ihr Feuer. Aber auch der Franzose wusste nun, wo er seinen Feind zu suchen hatte und mit einem Hagel von Geschossen überschüttete er die Leiber. Hierbei wurde Leutnant Graf von Moy, der sich nach Rückkehr von seinem nächtlichen Patrouillengang der 6. Kompanie angeschlossen hatte, verwundet, Leutnant Hans Freiherr von Speidel erhielt einen Streifschuss, und Leutnant der Reserve Spegg kommandierte eben mit schallender Stimme seinem Zuge: „Sprung auf! Marsch! Marsch!“, als er in den Mund getroffen tot zusammenstürzte.

Major Epp, der Kommandeur des II. Bataillons, war inzwischen dem Antrag der 6. Kompanie um Unterstützung nachgekommen. Sein Angriffsbefehl besagte, dass das II. Bataillon aus der bisherigen Stellung heraus sofort in rein südlicher Richtung Badonviller anzugreifen habe. Rechts sollte die 7. Kompanie in erster Linie sein, in der Mitte die 5. und links, der Straße entlang, die 6. Kompanie. Die 8. Kompanie sollte als Bataillonsreserve der 6. folgen. Durch eine Ordonanz wurde das I. Bataillon verständigt und um Mitwirkung gebeten. An das Regiment ging die vom Bataillons-Adjutanten Fritz von Bothmer „a. B.“ unterzeichnete Meldung ab.

Entsprechend dem Bataillonsbefehl hatte die 5. Kompanie und zwar vorerst mit dem Zuge des Leutnants Wilhelm Freiherr von Lamezan an die 6. Anschluss gewonnen. Nicht lange dauerte es mehr und beide Kompanien drangen, wenn auch unter erheblichen Verlusten, als erste in Badonviller ein. Scheinbar hatten sie die Franzosen vertrieben, denn das feindliche Feuer war gänzlich verstummt. Die Kompanien sandten daher sofort schwachen Schützenschleier weiter in den Ort, während der Rest in Gruppenkolonne sammelte, um geschlossen nachzurücken. Da aber zischte völlig überraschend aus nächsten Nähe ein in einem Hause verstecktes Maschinengewehr in die Kolonnen hinein und hielt grausige Ernte. Viele brave Leiber fielen und der Chef der 5. Kompanie, Hauptmann Eduard Freiherr von Falkenhausen wurde schwer verwundet. Leutnant Freiherr von Lamezan übernahm die Führung der 5. Kompanie. In kleinen Sprüngen, jeder Zug sich selbst überlassen, ging es dem unsichtbaren Feinde entgegen. In der Hauptstraße entwickelte sich besonders heftiger Häuserkampf. Aus allen Fenstern und Dachliken fielen Schüsse, Tote und Verwundete, Leiber und Franzosen, bedeckten die Straßen. Schritt für Schritt kämpften sich die Züge vorwärts und erreichten endlich den Westrand des Ortes. Hierbei gab der Bataillonskommandeur seinen Leibern ein prachtvolles Beispiel heldenhafter Tapferkeit. Der 5. und 6. folgte kämpfend die 8. Kompanie, während die am weitesten rechts angesetzte Kompanie, die 7., Badonviller nördlich umging. Am Rangierbahnhof angelangt, war sie das Ziel mörderischen Feuers geworden. Zwei Zugführer, Oberleutnant der Reserve, Leo Freiherr von Bechtholsheim (Leo Freiherr von Mauchenheim genannt Bechtolsheim * 17.09.1882 Schloss Hohenburg, Gemeinde Lenggries, + 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab) und Leutnant der Reserve Aull erhielten Schüsse und lagen mit anderen Verwundeten auf den Gleisen. Lange ging der Feuerkampf hin und her, währenddessen Bechtolsheim und Aull ein zweitesmal getroffen wurden, diesmal tödlich. Später stürmte die Kompanie den Bahnhof, ihr tapferer Führer, Hauptmann Raila, das Gewehr eines Gefallenen in der Hand, an der Spitze. Der Bahnhof, die umliegenden Häuser und Cafes wurden in wildem Sturme genommen. Sodann trat die Kompanie in Gruppenkolonne an, machte auf Kommando ihres Chefs einige stramme Griffe, und dann ging es im Gleichschritt mitten durch Badonviller hindurch, vorbei an den Spuren der Kämpfe der 5. und 6. Kompanie, dem Westrande zu, zum Stab des II. Bataillons. „Gut habt ihr Eure Sache gemacht!“ rief der Vataillonskommandeur seiner Siebenten entgegen, und diese dankte das Lob mit brausendem Hurra.

Major Epp ging jetzt – es war inzwischen 8.30 Uhr vormittags geworden – mit seinem Bataillon vom Westrand Badonviller in rein westlicher Richtung wieter vor. Das Bataillon hatte also eine volle Viertelschwenkung rechts gemacht. Da sah die 5. Kompanie plötzlich etwa 400 Meter vor sich eine französische Chasseurs-Abteilung im Zurückgehen. Im Nu warf sie sich in Stellung und eröffnete ein gutsitzendes Feuer. Doch rasch war der Feind in einer Mulde verschwunden. Die Kompanie, sofort nachstoßend, geriet nun selbst in schweres Infanteriefeuer von vorne und von beiden Seiten. Der Bataillonskommandeur setzte daher rechts von ihr die 8. Kompanie ein. Beide Kompanien mussten hier nun auf sehr ausgesetztem Posten in schwerem Feuerkampfe aushalten. Auch gesellten sich zu dem feindlichen Infanteriefeuer alsbald Granaten und auch Schrapnells. Leutnant Freiherr von Lamezan wurde schwer verwundet und musste seine Befehle durch den Mund seines Dieners geben. Auch die Zugführer Leutnant der Reserve Bems und Leutnant der Reserve Moßdorf, beide von der 8. Kompanie, wurden verwundet. Die 6. und 7. Kompanie hatte der Bataillonskommandeur als Reserve am Hang südwestlich Badonviller bei sich zurückbehalten, nur ein Zug der 7. Kompanie hatte noch eine zwischen 8. und 5. Kompanie enstandene Lücke auszufüllen. So blieb bis zum Abschluss des Gefechts die Lage beim II. Bataillon. Bis zum Eingreifen des I. und dann später des III. Bataillons waren die 5. und 8. Kompanie die einzige Zielscheibe des gegenüberliegenden Feindes und hatten schwer zu leiden; dann aber wurden sie wesentlich entpastet.

Das I. Bataillon wurde 6 Uhr vormittags durch die ihm durch eine Ordonnanz des II. Bataillions mitgeteilte Angriffsabsicht völlig überrascht. Doch war es für den Bataillionskommandeur Wilhelm Freiherr von Freyberg selbstverständliche Kameradenpflicht, das II. Bataillon zu unterstützen. Er trat daher in kürzester Zeit mit seinem Bataillon von den Höhen südlich und südostwärts Les Carrieres mit der Absicht an, ostwärts an Badonviller vorbeizustoßen. Die 4. Kompanie wurde sogleich zum Schutze des linken Flügels des II. Bataillons bis an den ostwärts der Straße nach badonviller gelegenen Waldzipfel vorgeschoben. Während dieser Bewegungen kämpfte das II. Bataillon bereits in Badonviller.

Kampflos erreichte das Battailon sein erstes Ziel, eine Mulde unmittelbar südostwärts Badonviller. Beim Vorgehen dorthin hatte die 3. Kompanie unter Hauptmann von Wenz und auch die 4. Kompanie den äußersten Ortsteil durchstreift, ohne hierbei auf den Feind zu stoßen. Der Bataillonskommandeur verfolgte nun von den Hängen um Badonviller das Vorgehen des II. Bataillons und hatte auch dessen Abschwenken in westlicher Richtung festgestellt. Auch er musste also, wollte er an das II. Bataillon Anschluss behalten, seinem Bataillon zu weiterem Vorwärts neue Richtung geben. Er setzte daher seine 3. und 1. Kompanie zum Angriff auf Fenneviller an, während die 2. und 4. Kompanie als Bataillonsreserve in zweiter Linie zu folgen hatten. Nach schwieriger Vorwärtsbewegung erreichten die vordertsen Zöge der 3. und 1. Kompanie endlich Fenneviller und drangen in den Ort, auf dem deutsches und französisches Artilleriefeuer lag, ein. Feindliche Gewehrschüsse forderten bei allen Kompanien manche Opfer; so wurde hier auch Leutnant der Reserve Schmitt, ein Zugführer der 4. Kompanie, verwundet. Zur Entlastung der vorderen Kompanien ließ der Bataillonskommandeur die 4. Kompanie links verlängern. Die Kompanie geriet dabei in eine recht ungünstige Lage, da sie überraschend aus dem Walde in ihrer linken Flanke stark beschossen wurde. Es entspann sich ein heftiges Feuergefecht, die Kompanie erlitt erhebliche Verluste, auch ging ihr allmählich die Munition aus, obwohl die Verwundeten aus freien Stücken all ihre Patronen anboten. In der Kenntnis, dass für die vordere Linie in ihrem schweren Feuerkampfe nunmehr Unterstützung dringend notwendig wurde, ließ der Bataillonskommandeur die 2. Kompanie in sie einschieben. Von dieser Kompanie wurde Oberleutnant Freiherr von Krauß schwer verwundet; seinen Zug übernahm der junge Leutnant Graf Treuberg; eine halbe Minute darauf brach dieser tödlich getroffen zusammen. 3 – 4 Stunden lag nun das I. Bataillon in unmittelbarem Anschluss an das II. in heftigstem Feuer; trotz aller Anstrengung gelang es ihm nicht, die Feuerüberlegenheit gegen dem meist unsichtbaren Feind zu gewinnen. Die Verluste unter Offizieren und Mannschaften mehrten sich in erschreckender Weise. Der Bataillonskommandeur, die Chefs der 1. und 4. Kompanie, die Hauptleute Richard und Wilhelm Freiherr von Falkenhausen, Leutnant der Reserve Griebenow der 4. Kompanie, sowie Fähnrich Freiherr von Pechmann und viele brave Unteroffiziere und Leiber wurden verwundet, viele starben den Heldentod. Doch für das ganze I. Bataillon galt nur der Wille, auszuhalten und vorerst das Eingreifen des III. Bataillons abzuwarten. Gleichwie vorher das II. Bataillon Entlastung durch das I. Bataillon herbeigesehnt hatte, so harrte jetzt das I. Bataillon der Unterstützung durch das III. Bataillon.

Auf schäumendem Pferde war der Oberst am Nordausgange von Badonviller angelangt. Von seinen Leibern war da aber nichts zu sehen, auch war zur Zeit kein wesentlicher Gefechtslärm zu hören. Für den Oberst galt es jetzt vor allem, Verbindung mit dem II. und I. Bataillon, die selbsttätig in das Gefecht getreten waren, zu gewinnen und die Gefechtskeitung in die Hand zu nehmen. Das III. Bataillon wusste er auf dem Vormarsch durch den Wald nordostwärts Badonviller.

Eben schickte er sich an, die Hauptstraße in Badonviller vorzureiten, als er auf den Zug Mantel der 5. Kompanie stieß. Oberleutnant der Reserve Mantel berichtete ihm, soweit sie ihm bekannt waren, die bisherigen Begebenheiten beim II. Bataillon und meldete, dass er mit seinem Zuge noch mit im Kampfe stehe. Ein Vorreiten auf der Hauptstraße sei daher völlig ausgeschlossen. Der Oberst versuchte nun abseits dieser Straße nach vorwärts zu kommen und ritt mit dem Regimentsadjutanten und zwei Chevauxlegers durch verschiedene Gärten in das Ortsinnere. Da auf einmal prasselte, eben als die vier Reiter einen Obstgarten durchritten, heftigstes Feuer aus allernächster Nähe auf sie ein. Während es dem Oberst gelang, durch ein kleines Gartentürchen zu entkommen, setzten der Adjutant und die Chevauxlegers über eine Hecke und entzogen sich so dem feindlichen Feuer. Als nun der Adjutant sich bemühte, mit dem Oberst wieder zusammenzukommen, ihn in verschiedenen Gärten vergeblich suchte, und dauernd nach ihm rief, stieß er auf einen Artillerieoffizier, der ihm mitteilte, dass eine Batterie unmittelbar nordostwärts Badonviller in Stellung gegangen sei, dort aber unter heftigem feindlichen Infanteriefeuer aus der Ortschaft leide und dringend Infanteriebedeckung benötige. Der Adjutant, vermutend, dass sein Oberst irgendwo getroffen lag, gab schweren Herzens die Suche nach ihm auf und galoppierte gegen den Wald ostwärts Badonviller, um dem dorthin befohlenen III. Bataillon einen Befehl zum Eingreifen zu geben und um eine Kompanie als Artilleriebedeckung anzuweisen. Als er den Waldrand erreichte, traf eben auch das III. Bataillon dort ein, Major Euler, Hauptmann Freiherr von Feury und Oberleutnant Graf Armansperg zu Fuß an dessen Spitze. Der Adjutant wies das Bataillon an, unverzüglich an Badonviller südlich vorbeizugehen und links vom I. Bataillon in den Kampf einzugreifen. Als Artilleriebedeckung wurde die 11. Kompanie unter Hauptmann Graf Spreti abgesondert.

Als der Regimentsadjutant wieder am Nordosteck von Badonviller eintraf, sah er schon von weitem dort seinen Oberst stehen. Unversehrt! Der aber hatte inzwischen eine Leibertat begangen, die ein glänzend Vorbild war persönlicher Tapferkeit dem ganzen Regimente. Es war dem Oberst, wie er Deckung suchte vor dem mörderischen Feuer, das Pferd erschossen worden. Zu Fuß eilte er daher weiter und fand endlich Schutz hinter einer Mauer. Da fiel ihm plötzlich ein, dass am Sattel des Pferdes ja noch des Prinzen Arnulf Säbel befestigt sei. Ohne zu zaudern und nicht achtend der erneut auf ihn abgegebenen Schüsse sprang der Oberst wieder an sein Pferd heran und löste den Säbel. Wie durch ein Wunder nur blieb er unverletzt bei dieser Heldentat.

Inzwischen war auch die Maschinengewehr-Kompanie als Regimentsreserve mit freigemachten Gewehren von Les Carrieres her am Nordrand von Badonviller eingetroffen. Während der Zug Wolfrum dem II. Bataillon zur Verfügung gestellt wurde, rückte der Zug des Oberleutnant Freiherr von Riedheim zum I. Bataillon, wo er aus einem Garten von Fenneviller mit gutem Erfolge gegen zurückgehende Teile des Feindes wirken konnte. Auch eine Gruppe der 10. Kompanie war beim Regimentsstabe eingetroffen, es war eine jener Gruppen, die am 9. August als Straßensperre gegen die Vogesen zurückbelassen war. Nach Erledigung ihrer Aufgabe rückte sie heute heran, und als sie auf ihrem Anmarsche Gefechtslärm hörte, und erfuhr, dass das Leibregiment im Kampfe stehe, da gab es für diese braven Leiber nur den einen Wunsch, noch rechtzeitig zum Gefecht ihres Regiments zu kommen. Im Eil- und im Laufschritt rückten sie an, keuchend und schweißbedeckt, und ihre Freude war groß, als sie hörten, noch nicht zu spät gekommen zu sein. Mit dieser Gruppe, mit ein paar Ordonnanzen und mit dem Maschinengewehr-Zug des Oberleutnants Graf Holnstein kämpfte sich der Regimentsstab zum Stabe des in einer Mulde westlich Badonviller gelegenen II. Bataillons vor. Noch war hiebei mancher Widerstand im Orte zu brechen; doch Holnsteins Maschinengewehre taten ganze Arbeit.

Das III. Bataillon setzte, nachdem es vom Regimentsadjutanten Weisung erhalten hatte, vorerst seinen Marsch längs der Waldränder fort und rückte zunächst auf die Höhe 391 südlich Badonviller. Von hier aus begann es mit der 10. und 9. Kompanie in vorderer Linie, mit der 12. Kompanie links gestaffelt, den Angriff gegen Fennewiller. Anfangs gewann das Bataillon gut Raum; als es aber aus dem Walde ostwärts Fenneviller auf freies Feld trat, da empfing es ein wahrer Hagel von Infanterie- und Maschinengewehrgeschossen. Der Feind schien sich hauptsächlich in Fenneviller und in dem mit Fenneviller fast zusammenhängenden Pexonne  eingenistet zu haben. Hohe Getreidefelder und Kartoffeläcker behinderten den liegenden Schützen des Bataillons den Blick nach dem Feinde. Die Verluste mehrten sich, und schon war es notwendig geworden, zwei Züge der 12. Kompanie in die vordere Linie zu nehmen. Da rief der todverachtende Kommandeur, Major Euler, seinen Leuten zu: „Wir müssen vorgehen!“ und riss sein Bataillon durch sein persönliches Beispiel mit vor. Obwohl bald verwundet durch einen Knieschuss, behielt er die Führung bei. Endlich, nach einigen Sprüngen, gelang es den Kompanien, des Feindes ansichtig zu werden und ihn unter gezieltes Feuer zu nehmen. Da wurde Major Euler ein zweites Mal getroffen, diesmal tödlich. An der Spitze seines Bataillons, dieses zum Siege führend, für das Vaterland zu sterben, bis zum letzten Atemzuge ein leuchtendes Beispiel seinen Kompanien, das war Eulers stolzes Schicksal geworden. Und unmittelbar nach ihm wurde sein treuer Adjutant, Oberleutnant Franz Graf Armansperg, durch ein Schrapnell so schwer getroffen, dass er bald darauf entschlief. Während einer kurzen Wiedererlangung des Bewusstseins fragte er noch: „Haben wir gesiegt?“ und auf die ihm gewordene Antwort „Ja“ spielte ein leises Lächeln um seine Züge. Und wie Euler an der Spitze seines Bataillons, so starb Hauptmann Freiherr von Feury, der Chef der Neunten, den Heldentod an der Spitze seiner Kompanie. Sein Geist aber lebte weiter in den Reihen der von ihm erzogenen Mannschaften, die von ihrem toten Hauptmann nicht wichen, wenn auch ganz besonders schweres Maschinengewehrfeuer aus den verstecken von Pexonne gerade jetzt erschreckend unter ihnen wütete. Schwere Minuten galt es da zu meistern. Erst als Leutnant der Reserve Egger der 12. Kompanie mit seinem Zuge unter bedeutenden Verlusten bei Pexonne eingedrungen und Feldwebel Schaller mit Mannschaften der 10. und 12. Kompanie gegen ein von links in die Flanke schießendes Maschinengewehr vorgegangen war, wurde die Lage der 9. Kompanie wieder erträglicher. Auch die rechts von der 9. eingesetzte 10. Kompanie bekam wieder Luft und ging mit inzwischen als Artilleriebedeckung frei gewordenen Teilen der 11. Kompanie nun gleichfalls gegen den Ostrand von Pexonne vor.

So waren also nach und nach die drei Bataillone des Regiments nebeneinander ins Gefecht getreten. Von 12 Uhr mittags an waren sie unbestrittener Herr von Badonviller und Fenneviller. Der Feind war, wo er sich vorher zäh verteidigt hatte, gewichen und hatte jeden weiteren Widerstand aufgegeben. Da das Regiment nach einem eingetroffenen Divisionsbefehl die Linie Neuviller – Höhen östlich Badonviller nicht überschreiten sollte – dieser Befehl war durch die Ereignisse allerdings längst überholt – ließ der Oberst das Signal „Das Ganze! Halt!“ blasen und befahl den Bataillonen, sich in ihren Stellungen nach Ordnung der Verbände zur Verteidigung einzurichten. Und wo noch vor kurzer Zeit heftiger Feuerkampf gewütet hatte, da standen jetzt, wie nach beendeter Manöverübung, Gruppen von Leibern und setzten Gewehre zusammen.

Das Regiment hatte seinen ersten Sieg erfochten. Es hatte einen zur Verteidigung eingerichteten Feind angegriffen, der wohl bei voller Würdigung der Lage nur planmäßig und mit Artillerieunterstützung hätte angegriffen werden sollen. Aber der unübertreffliche, prachtvolle Angriffsgeist der Leiber hat die Nachteile einer taktisch vielleicht nicht ganz gerechtfertigten Fechtweise nicht zur Wirkung kommen lassen. Ehe sich es der Franzose versah, saß ihm der Leiber an der Kehle. Und wenn der Angriff des Leibregiments an diesem Tage auch nicht in der Absicht der höheren Führung gelegen war, so war er doch zum großen Erfolge geworden. Nicht nur, dass hier am Nordabhange der Vogesen der Deutsche unzweifelhaft den ersten Sieg errungen hatte, die Wucht des Leiberangriffs hatte auch entschieden dazu beigetragen, einen Durchbruch starker feindlicher Kräfte zu durch die Vogesen in die Rheinebene zu vereiteln. So kennzeichnet denn auch ein späterer Tagesbefehl des Generalkommandos den operativen Wert des Gefechts von Badonviller wie folgt: „Das Armeekorps hatte die Aufgabe, vorzustoßen und starke Kräfte auf sich zu ziehen. Durch die seltene Tapferkeit der Truppen ist dies völlig gelungen; eine starke Übermacht setzte der Gegner gegen uns an, da ihn der kühne Vorstoß gegen Badonviller irregeleitet hatte.“

Die höhere Führung hatte am Morgen des Tages in das Gefecht erst dann eingreifen können, als Badonviller längst schon genommen war. Der brigadekommandeur sandte etwa 8.30 Uhr vormittags die Brigadereserve, die 5./1. Infanterie-Regiment nach Badonviller, wo sie noch in den Häuserkampf verwickelt wurde und beorderte die 1. Abteilung des 7. Feldartillerie-Regiments nach Les Carrieres, von wo aus zwei Batterien das Feuer aufnahmen. Eine dritte Batterie wurde dann später an den Nordrand von Badonviller vorgeworfen. Der Divisionskommandeur stellte seinerseits das I. Bataillon des 16. Infanterie-Regiments und die 1. Abteilung des 1. Feldartillerie-Regiments zur Verfügung. Die beiden Eskadrons der Division wurde zur Sicherung und Aufklärung in die linke Flanke der 1. Infanterie-Brigade entsandt. Das rechts vom Leibregiment stehende 1. Infanterie-Regiment wurde angewiesen, durch einn Vorstoß nach Süden das Leibregiment zu entlasten. Auch die 2. Infanterie-Division wurde gebeten, von Halloville auf Ancerviller vorzustoßen. Bis indessen diese Maßnahmen wirksam werden konnten, hatte das Leibregiment schon längst seine Arbeit getan und den Feind geworfen.

Zwischen 10 und 11 Uhr vormittags begann die Artillerie sich umzugruppieren. Batterien der 1. Abteilung 7. Feldartillerie-Regiment, später auch der 1. Abteilung 1. Feldartillerie-Regiment gingen unmittelbar westlich Badonviller in Stellung. Mit lautem Jubel begrüßten die Leiber jeden bellend aus den Rohren fahrenden Schuss. Die 3. Batterie des 7. Feldartillerie-Regiments, die kurze Zeit auf einer Höhe südlich Badonviller in Stellung war, ging 10.30 Uhr östlich Fenneviller in offener Feuerstellung und zwang eine feindliche Batterie südlich Pexonne, die dem I. Bataillon sehr unangenehm geworden war, in kurzer Zeit zum Schweigen.

Während die Bataillone des Regiments unbehelligt vom Feinde ihre Verbände ordneten, war es in Badonviller selbst immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Immer wieder fielen einzelne Schüsse. Besonders in Gegend der Kirche und des Hauptplatzes hielten sich noch Versprengte verborgen und belästigten die den Ort absuchenden Kompanien des I. Bataillons. 16. Infanterie-Regiments. Im Laufe der ersten Nachmittagsstunden war auch das vom Divisionskommandeur nachgezogene 2. bayerische Infanterie-Regiment in Badonviller eingetroffen. Um gegen neue Feuerüberfälle gesichert zu sein, nahm das vorderste Bataillon dieses Regiments dem Bürgermeister von Badonviller an seine Spitze. Mit einer langen weißen Fahne in der Hand hatte dieser die eigenen Landsleute vom Schießen abzuhalten. Trotzdem wurde das vorderste Bataillon plötzlich von einem Hagel von Geschossen überschüttet. Unglücklicherweise befand sich befand sich zu gleicher Zeit die endlose Wagenkolonne mit den Verwundeten des Leibregiments auf den Straßen. Gar manche der Verwundeten wurde ein zweites mal getroffen. Einzelne Wagenbespannungen, deren Lenker getroffen waren, wurden scheu, und in wilder Flucht rasten mit Schwerverwundeten beladene Fahrzeuge die im Kreuzfeuer liegenden Straßen. Aber bald machten die Zweier und Sechzehner kurzen Prozess, wie am 10. August die Leiber in Parux. Wo geschossen wurde, wurde nach Kriegsrecht verfahren.

Von 4 Uhr nachmittags an wurde das Leibregiment auf Befehl der 1. Division durch das 2. Infanterie-Regiment abgelöst. Seine Bataillone sammelten in der Nähe des Regimentsstabes westlich Badonviller.

Etwa 5 Uhr nachmittags begann plötzlich wieder französisches Maschinengewehrfeuer in der Ortschaft. Vom Kirchturm herab beschoss ein wider alles Erwarten dort oben noch versteckt gehaltenes Maschinengewehr das auf dem Marktplatz rastende I. Bataillon 16. Infanterie-Regiment Hauptmann von Bomhard des 1. Feldartillerie-Regiment mit seiner Batterie beim Stabe des Leibregiments mit Front nach Westen stehend, ließ ein Geschütz wenden und schoss persönlich mit direktem Schuss auf das Fenster des Kirchturms. Schon der erste Schuss fuhr mitten ins Fenster hinein; das Maschinengewehr aber war verstummt für immer. Währenddessen herrschte auf  auf dem Biwakplatze des Regiments reges Leben; die Feldküchen kamen angefahren und brachten die Mittagskost; nach der Entspannung des Gefechts wurden Hunger und Appetit der Leiber nur noch übertroffen durch brennenden Durst, den ungezählte, immer wieder gefüllte Eimer frischen Wassers kaum zu löschen vermochten.

Ein Divisionsbefehl wurde den Kompanien bekannt gegeben; die Absätze „Feind (mehrere Bataillone mit Maschinengewehre und Artillerie) ist bei Badonviller vom Infanterie-Leibregiment geschlagen worden und befindet sich in fluchtartigem Rückzuge“ und „dem Infanterie-Leibregiment, das ich zu seinem tapferen Verhalten und seinem schönen Erfolge den Glückwunsch des Kommandierenden Generals und meinen eigenen ausspreche“ lösten bei allen Offizieren und Mannschaften begeisterte Hurrarufe aus. Etwa 6.30 Uhr abends, traf der Divisionskommandeur, Generalleutnant von Schoch, persönlich beim Regimente ein; unvergesslich wird es jedem Augenzeugen bleiben, wie er den siegreichen Regimentskommandeur umarmte und ihn zu dem herrlichen Siege seine Regiments beglückwünschte. Kurz darauf konnte den Bataillonen noch ein anderer Divisions-Befehl verlesen werden folgenden Wortlauts: „Seine Exzellenz der Kommandierende General lässt der 1. Infanterie-Brigade zu ihrer Haltung und zu ihrem Erfolge, besonders dem Infanterie-Leibregiment, gratulieren. Ich bin stolz, eine solche Prachttruppe, als die sich heute das Infanterie-Leibregiment und das 1. Infanterie-Regiment erwiesen haben, unter meinem Befehl zu wissen.

Im weiteren Verlauf des Nachmittags begruben die Leiber ihre toten Kameraden, manche draußen, da wo sie ihr Leben gegeben haben für des Regimentes Ehre, manche drinnen im Friedhof von Badonviller. Ein einfach Holzkreuz, ein Busch Rosen oder Nelken oder ein Feldblumenstrauß schmückten die Gräber der 7 Offiziere und 90 Unteroffiziere und Leiber, denen heute so früher, aber herrlich schöner, durch Sieg gekrönter Soldatentod beschieden war. Unvergessen bleibt uns ihr Name, unvergessen ihr Vorbild, unvergessen ihr durch Tod besiegelte Treue. Ehrend werden wir aber auch immer der 14 verwundeten Offiziere und 308 verwundeten Unteroffiziere und Leiber gedenken. Stundenlang mussten die Schwerverwundeten in glühender Sonnenhitze, auf Leiterwagen gelegt, ihres Abtransportes harren, und als dieser endlich beginnen konnte, waren die Wehrlosen in den Straßen Badonvillers erneut mörderischem Feuer aus Kellern und Fenstern ausgesetzt. Doch kein Stöhnen und Jammern und Wehklagen war zu hören. Mannhaft trugen sie den Schmerz. Ind als ihnen durch den Regimentsadjutanten mitgeteilt wurde, dass ihr Regiment einen herrlichen Sieg errungen, dass es 800 Gefangene gemacht, dass es zwei Kriegskassen mit 50.000 Francs in Gold erbeutet und weit überlegenen Feind in wildem Anlaufe geschlagen habe, da winkten sie mit matter, blutiger Hand und ein leises Hurrah enthauchte ihren Lippen. Bei manchen allerdings leuchtete nur ihr Blick. Mit Einbruch der Dunkelheit machten sich die Bataillone des Regiments marschfertig. Mitten hindurch durch das brennende Badonviller führte alsdann der Rückmarsch. Welch grausig schönes Bild sich da dem Regiment bot! Hier glühende Balken von den Dächern stürzend, hier helle Flammen aus den Fenstern schlagend, dort grell erleuchtete Rauchschwaden gegen Himmel ziehend. Und an den Straßenecken standen und saßen zusammengerottet Trupps armer Weiber und Kinder, die tagsüber versteckt, jetzt aber vom Feuer aus ihren Schlupfwinkeln getrieben waren. Weiter ging der Marsch hinein in das Dunkel der Nacht, vorbei am stillen Friedhofe. Rückwärts blickend aber sahen wir Tausende von Glutfunken sich hoch hinaufwirbelns über das brennende Dorf als Fanal unseres ersten Sieges.

Bei Neuviller bezog dann in später Abendstunde das Regiment als Divisionsreserve Biwak. Gefühle weher Trauer um die verlorenen Freunde und Kameraden bewegten in jähem Wechsel mit freudigem Stolze ob unseres ersten Sieges unser aller Herzen. Und lange noch floh der Schlaf die müden Augen der um die Feuer sich kauernden Leiber. Ales es aber allmählich ganz stille geworden war, Mitternacht war längst vorüber, das schrieb der Chef der 6. Kompanie die heute losgestürmt war als erste vom Regiment, unser Robert Graf von Bothmer, auf eine Meldekarte wie folgt:

O Badenweiler, schöne Stadt,
Du Perle der Vogesen,
Wie mancher der um dich gefreit
In ungestümer Tapferkeit
Wird nimmermehr genesen!
Die Leiber kamen über Nacht,
Und in des Morgens erster Bracht,
Da hatten sie in Waffentanz
Den allerschönsten Jungfernkranz,
So kennt der Feind am ersten Tag
Der Leiber schweren Kolbenschlag.
Still grub man unsere Toten ein
Auf Siegeshöhen in langen Reihn.
Wir aber hielten Totenwacht!
In hoher Flamme großer Pracht.
Durch Sieg und Tod ewig geeint,
So stehn die Leiber vor dem Feind

Am 13. August hatte sich das I. bayerische Armee-Korps da, wo es stand, einzugraben. Da jedoch der weit vorgeschobene linke Flügel der 1. bayerischen Infanterie-Division gefährdet schien, wurden hier nur Vorposten belassen, während die Division sich auf den Höhen südlich Montreux und Parux zur Verteidigung einzurichten hatte. Vom Regimente wurden im Laufe des Vormittags – nachdem ein vollkommen neue Offizierseinteilung vorgenommen worden war und zwei Bataillone und sechs Kompanien neue Führer erhalten hatten – das I. Bataillon nach Haut d‘ Abre zur Verfügung des 1. Infanterie-Regiments und des II. Bataillons nach Les Carrieres zur Verfügung des Brigadekommandeurs.“.

Man begrub Major Karl Euler auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab.

Major Karl Euler

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 1: Hauptmann Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling

Der Soldat Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling wurde am 04.02.1877 in der bayerischen Stadt Forchheim geboren und war königlich bayerischer Kämmerer. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg als Kompanieführer der 9. Kompanie des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments. Am 12.08.1914 fiel er im Alter von 37 Jahren während eines Gefechts bei Badonviller.

Gefecht bei Badonviller am 12.08.1914

Über den Todestag und die Todesumstände von Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling berichtet die Regimentsgeschichte des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments:

„Seit 4 Uhr vormittags ist der Oberst aus seinem Zelt. Mit aufgeschlagenem Kragen und die Hände in den Taschen geht er mit seinem Adjutanten frierend auf und ab, denn es ist bitterkalt an diesem Morgen. Er wartet auf den Angriffsbefehl, von dem man gestern gesprochen. „Wenn er nur bald käme, es wird ja immer heller.!“ 5 Uhr, 6 Uhr, aber immer ist noch kein befehl eingetroffen. Da hält’s der Oberst nimmer länger aus und schickt den Adjutanten zurück zum Brigadestab. Bald hat dieser das Brigadestabsquartier erreicht; dort erfährt er, dass der Divisionsbefehl für den heutigen Tag noch nicht ausgegeben, dass ein Angriff für heute jedoch sicher nicht beabsichtigt sei. Tatsächlich war dem auch so. Die Entscheidung bei Mühlhausen war gefallen, der Feind geschlagen. Auch war der Vorstoß des I. bayerischen Armee-Korps wirksam gewesen und hatte mehrere von Westen gegen die Vogesen marschierende Kolonnen auf sich bezogen. Heute sollte das Korps nun ruhen und seine Versammlung beenden.

Enttäuscht reitet der Adjutant zum Regimente zurück. Wie er sich dem Biwakplatz des III. Bataillons näherte, sieht er, wie das Bataillon eben abmarschiert. Ein Schenkeldruck und im Galopp zum Oberst, um ihm zu melden, was die Brigade mitgeteilt, und dass das Regiment bis auf weiteres in seiner augenblicklichen Stellung bleiben solle. Doch da lacht der Oberst, der selbst auch schon aufgesessen war, und zeigt dem Adjutanten eine vom II. Bataillon übersandte Meldekarte folgenden Wortlauts: 6 Uhr vormittags. Die 6. Kompanie wurde angegriffen. Darauf ging sie zum Angriff vor. Ich greife mit II./L. an. 6. Kompanie schon weit vorn. A. B. Bothmer.“ Und weiter sagt der Oberst: „Wie das II. Bataillon angegriffen hat, hat sich auch das I. Bataillon angeschlossen. Und nun habe ich selbstverständlich auch das III. Bataillon antreten lassen.“ Rasch jetzt noch eine Meldung an die Brigade geschrieben, dass das II. und I. Bataillon in Richtung Badonviller angreifen, und dass das III. Bataillon durch die Waldungen links an Badonviller vorbei, nachfolge. Dann sprengt der Oberst mit seinem Adjutanten dem II. Bataillon nach, Badonviller zu.

6 Uhr vormittags war die Feldwache des Leutnants Hans Freiherr von Speidel, die abends vorher bei Dunkelheit vorgeschoben worden war, von französischem Feuer überfallen worden. Sie konnte sich auf ihrem Platze halten. Hauptmann Robert Graf von Bothmer, der Chef der 6., war aber nicht der Mann, vor feindlichem Feuer nach rückwärts auszuweichen und die Feldwache zurückzunehmen. Angriffe der ganzen Kompanie, das war seine Antwort, die er dem Feinde gab.

„Und wie es kam?“ sagte Bothmer, „ohne Befehl, ohne Artillerie? Ja, wie es kam! Frage einen gesunden, jungen Burschen, wie es kam, als man ihn so nah mit einem bildhübschen jungen Mädel allein ließ! Es war der erste Augenblick am Feind nach 50 Friedensjahren, und in unsern Adern stürmte und wogte das Blut siedend heiß: die Leiber lassen sich von dem frechen Gegner nicht angreifen, sie schlagen selber los.!

Bothmer meldete seinen Entschluss dem Bataillons-Kommandeur und bat gleichzeitig um Unterstützung durch andere Teile des Bataillons. Dann, etwa 6.30 Uhr vormittags nähert sich seine Kompanie schon dem Ostrande von Badonviller, und gleichzeitig flogen die ersten deutschen Granaten in den Ort. Die Kompanie wollte indes nicht langwierige Artillerievorbereitung, sondern stürmen, nur stürmen. Artillerieflaggen, wie im Manöver, hatte sie nicht bei sich, Telefone gab es damals auch noch nicht bei den Kompanien, also blieb nur ein Behelfsmittel: die Kompanie band Taschentücher an die Gewehrmündungen und schwenkte ihre Gewehre hin und her. Die Artillerie schien dies Zeichen auch tatsächlich verstanden zu haben und verlegte ihr Feuer. Aber auch der Franzose wusste nun, wo er seinen Feind zu suchen hatte und mit einem Hagel von Geschossen überschüttete er die Leiber. Hierbei wurde Leutnant Graf von Moy, der sich nach Rückkehr von seinem nächtlichen Patrouillengang der 6. Kompanie angeschlossen hatte, verwundet, Leutnant Hans Freiherr von Speidel erhielt einen Streifschuss, und Leutnant der Reserve Spegg kommandierte eben mit schallender Stimme seinem Zuge: „Sprung auf! Marsch! Marsch!“, als er in den Mund getroffen tot zusammenstürzte.

Major Epp, der Kommandeur des II. Bataillons, war inzwischen dem Antrag der 6. Kompanie um Unterstützung nachgekommen. Sein Angriffsbefehl besagte, dass das II. Bataillon aus der bisherigen Stellung heraus sofort in rein südlicher Richtung Badonviller anzugreifen habe. Rechts sollte die 7. Kompanie in erster Linie sein, in der Mitte die 5. und links, der Straße entlang, die 6. Kompanie. Die 8. Kompanie sollte als Bataillonsreserve der 6. folgen. Durch eine Ordonanz wurde das I. Bataillon verständigt und um Mitwirkung gebeten. An das Regiment ging die vom Bataillons-Adjutanten Fritz von Bothmer „a. B.“ unterzeichnete Meldung ab.

Entsprechend dem Bataillonsbefehl hatte die 5. Kompanie und zwar vorerst mit dem Zuge des Leutnants Wilhelm Freiherr von Lamezan an die 6. Anschluss gewonnen. Nicht lange dauerte es mehr und beide Kompanien drangen, wenn auch unter erheblichen Verlusten, als erste in Badonviller ein. Scheinbar hatten sie die Franzosen vertrieben, denn das feindliche Feuer war gänzlich verstummt. Die Kompanien sandten daher sofort schwachen Schützenschleier weiter in den Ort, während der Rest in Gruppenkolonne sammelte, um geschlossen nachzurücken. Da aber zischte völlig überraschend aus nächsten Nähe ein in einem Hause verstecktes Maschinengewehr in die Kolonnen hinein und hielt grausige Ernte. Viele brave Leiber fielen und der Chef der 5. Kompanie, Hauptmann Eduard Freiherr von Falkenhausen wurde schwer verwundet. Leutnant Freiherr von Lamezan übernahm die Führung der 5. Kompanie. In kleinen Sprüngen, jeder Zug sich selbst überlassen, ging es dem unsichtbaren Feinde entgegen. In der Hauptstraße entwickelte sich besonders heftiger Häuserkampf. Aus allen Fenstern und Dachliken fielen Schüsse, Tote und Verwundete, Leiber und Franzosen, bedeckten die Straßen. Schritt für Schritt kämpften sich die Züge vorwärts und erreichten endlich den Westrand des Ortes. Hierbei gab der Bataillonskommandeur seinen Leibern ein prachtvolles Beispiel heldenhafter Tapferkeit. Der 5. und 6. folgte kämpfend die 8. Kompanie, während die am weitesten rechts angesetzte Kompanie, die 7., Badonviller nördlich umging. Am Rangierbahnhof angelangt, war sie das Ziel mörderischen Feuers geworden. Zwei Zugführer, Oberleutnant der Reserve, Leo Freiherr von Bechtholsheim (Leo Freiherr von Mauchenheim genannt Bechtolsheim * 17.09.1882 Schloss Hohenburg, Gemeinde Lenggries, + 12.08.1914 bei Badonviller, begraben auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab) und Leutnant der Reserve Aull erhielten Schüsse und lagen mit anderen Verwundeten auf den Gleisen. Lange ging der Feuerkampf hin und her, währenddessen Bechtolsheim und Aull ein zweitesmal getroffen wurden, diesmal tödlich. Später stürmte die Kompanie den Bahnhof, ihr tapferer Führer, Hauptmann Raila, das Gewehr eines Gefallenen in der Hand, an der Spitze. Der Bahnhof, die umliegenden Häuser und Cafes wurden in wildem Sturme genommen. Sodann trat die Kompanie in Gruppenkolonne an, machte auf Kommando ihres Chefs einige stramme Griffe, und dann ging es im Gleichschritt mitten durch Badonviller hindurch, vorbei an den Spuren der Kämpfe der 5. und 6. Kompanie, dem Westrande zu, zum Stab des II. Bataillons. „Gut habt ihr Eure Sache gemacht!“ rief der Vataillonskommandeur seiner Siebenten entgegen, und diese dankte das Lob mit brausendem Hurra.

Major Epp ging jetzt – es war inzwischen 8.30 Uhr vormittags geworden – mit seinem Bataillon vom Westrand Badonviller in rein westlicher Richtung wieter vor. Das Bataillon hatte also eine volle Viertelschwenkung rechts gemacht. Da sah die 5. Kompanie plötzlich etwa 400 Meter vor sich eine französische Chasseurs-Abteilung im Zurückgehen. Im Nu warf sie sich in Stellung und eröffnete ein gutsitzendes Feuer. Doch rasch war der Feind in einer Mulde verschwunden. Die Kompanie, sofort nachstoßend, geriet nun selbst in schweres Infanteriefeuer von vorne und von beiden Seiten. Der Bataillonskommandeur setzte daher rechts von ihr die 8. Kompanie ein. Beide Kompanien mussten hier nun auf sehr ausgesetztem Posten in schwerem Feuerkampfe aushalten. Auch gesellten sich zu dem feindlichen Infanteriefeuer alsbald Granaten und auch Schrapnells. Leutnant Freiherr von Lamezan wurde schwer verwundet und musste seine Befehle durch den Mund seines Dieners geben. Auch die Zugführer Leutnant der Reserve Bems und Leutnant der Reserve Moßdorf, beide von der 8. Kompanie, wurden verwundet. Die 6. und 7. Kompanie hatte der Bataillonskommandeur als Reserve am Hang südwestlich Badonviller bei sich zurückbehalten, nur ein Zug der 7. Kompanie hatte noch eine zwischen 8. und 5. Kompanie enstandene Lücke auszufüllen. So blieb bis zum Abschluss des Gefechts die Lage beim II. Bataillon. Bis zum Eingreifen des I. und dann später des III. Bataillons waren die 5. und 8. Kompanie die einzige Zielscheibe des gegenüberliegenden Feindes und hatten schwer zu leiden; dann aber wurden sie wesentlich entpastet.

Das I. Bataillon wurde 6 Uhr vormittags durch die ihm durch eine Ordonnanz des II. Bataillions mitgeteilte Angriffsabsicht völlig überrascht. Doch war es für den Bataillionskommandeur Wilhelm Freiherr von Freyberg selbstverständliche Kameradenpflicht, das II. Bataillon zu unterstützen. Er trat daher in kürzester Zeit mit seinem Bataillon von den Höhen südlich und südostwärts Les Carrieres mit der Absicht an, ostwärts an Badonviller vorbeizustoßen. Die 4. Kompanie wurde sogleich zum Schutze des linken Flügels des II. Bataillons bis an den ostwärts der Straße nach badonviller gelegenen Waldzipfel vorgeschoben. Während dieser Bewegungen kämpfte das II. Bataillon bereits in Badonviller.

Kampflos erreichte das Battailon sein erstes Ziel, eine Mulde unmittelbar südostwärts Badonviller. Beim Vorgehen dorthin hatte die 3. Kompanie unter Hauptmann von Wenz und auch die 4. Kompanie den äußersten Ortsteil durchstreift, ohne hierbei auf den Feind zu stoßen. Der Bataillonskommandeur verfolgte nun von den Hängen um Badonviller das Vorgehen des II. Bataillons und hatte auch dessen Abschwenken in westlicher Richtung festgestellt. Auch er musste also, wollte er an das II. Bataillon Anschluss behalten, seinem Bataillon zu weiterem Vorwärts neue Richtung geben. Er setzte daher seine 3. und 1. Kompanie zum Angriff auf Fenneviller an, während die 2. und 4. Kompanie als Bataillonsreserve in zweiter Linie zu folgen hatten. Nach schwieriger Vorwärtsbewegung erreichten die vordertsen Zöge der 3. und 1. Kompanie endlich Fenneviller und drangen in den Ort, auf dem deutsches und französisches Artilleriefeuer lag, ein. Feindliche Gewehrschüsse forderten bei allen Kompanien manche Opfer; so wurde hier auch Leutnant der Reserve Schmitt, ein Zugführer der 4. Kompanie, verwundet. Zur Entlastung der vorderen Kompanien ließ der Bataillonskommandeur die 4. Kompanie links verlängern. Die Kompanie geriet dabei in eine recht ungünstige Lage, da sie überraschend aus dem Walde in ihrer linken Flanke stark beschossen wurde. Es entspann sich ein heftiges Feuergefecht, die Kompanie erlitt erhebliche Verluste, auch ging ihr allmählich die Munition aus, obwohl die Verwundeten aus freien Stücken all ihre Patronen anboten. In der Kenntnis, dass für die vordere Linie in ihrem schweren Feuerkampfe nunmehr Unterstützung dringend notwendig wurde, ließ der Bataillonskommandeur die 2. Kompanie in sie einschieben. Von dieser Kompanie wurde Oberleutnant Freiherr von Krauß schwer verwundet; seinen Zug übernahm der junge Leutnant Graf Treuberg; eine halbe Minute darauf brach dieser tödlich getroffen zusammen. 3 – 4 Stunden lag nun das I. Bataillon in unmittelbarem Anschluss an das II. in heftigstem Feuer; trotz aller Anstrengung gelang es ihm nicht, die Feuerüberlegenheit gegen dem meist unsichtbaren Feind zu gewinnen. Die Verluste unter Offizieren und Mannschaften mehrten sich in erschreckender Weise. Der Bataillonskommandeur, die Chefs der 1. und 4. Kompanie, die Hauptleute Richard und Wilhelm Freiherr von Falkenhausen, Leutnant der Reserve Griebenow der 4. Kompanie, sowie Fähnrich Freiherr von Pechmann und viele brave Unteroffiziere und Leiber wurden verwundet, viele starben den Heldentod. Doch für das ganze I. Bataillon galt nur der Wille, auszuhalten und vorerst das Eingreifen des III. Bataillons abzuwarten. Gleichwie vorher das II. Bataillon Entlastung durch das I. Bataillon herbeigesehnt hatte, so harrte jetzt das I. Bataillon der Unterstützung durch das III. Bataillon.

Auf schäumendem Pferde war der Oberst am Nordausgange von Badonviller angelangt. Von seinen Leibern war da aber nichts zu sehen, auch war zur Zeit kein wesentlicher Gefechtslärm zu hören. Für den Oberst galt es jetzt vor allem, Verbindung mit dem II. und I. Bataillon, die selbsttätig in das Gefecht getreten waren, zu gewinnen und die Gefechtskeitung in die Hand zu nehmen. Das III. Bataillon wusste er auf dem Vormarsch durch den Wald nordostwärts Badonviller.

Eben schickte er sich an, die Hauptstraße in Badonviller vorzureiten, als er auf den Zug Mantel der 5. Kompanie stieß. Oberleutnant der Reserve Mantel berichtete ihm, soweit sie ihm bekannt waren, die bisherigen Begebenheiten beim II. Bataillon und meldete, dass er mit seinem Zuge noch mit im Kampfe stehe. Ein Vorreiten auf der Hauptstraße sei daher völlig ausgeschlossen. Der Oberst versuchte nun abseits dieser Straße nach vorwärts zu kommen und ritt mit dem Regimentsadjutanten und zwei Chevauxlegers durch verschiedene Gärten in das Ortsinnere. Da auf einmal prasselte, eben als die vier Reiter einen Obstgarten durchritten, heftigstes Feuer aus allernächster Nähe auf sie ein. Während es dem Oberst gelang, durch ein kleines Gartentürchen zu entkommen, setzten der Adjutant und die Chevauxlegers über eine Hecke und entzogen sich so dem feindlichen Feuer. Als nun der Adjutant sich bemühte, mit dem Oberst wieder zusammenzukommen, ihn in verschiedenen Gärten vergeblich suchte, und dauernd nach ihm rief, stieß er auf einen Artillerieoffizier, der ihm mitteilte, dass eine Batterie unmittelbar nordostwärts Badonviller in Stellung gegangen sei, dort aber unter heftigem feindlichen Infanteriefeuer aus der Ortschaft leide und dringend Infanteriebedeckung benötige. Der Adjutant, vermutend, dass sein Oberst irgendwo getroffen lag, gab schweren Herzens die Suche nach ihm auf und galoppierte gegen den Wald ostwärts Badonviller, um dem dorthin befohlenen III. Bataillon einen Befehl zum Eingreifen zu geben und um eine Kompanie als Artilleriebedeckung anzuweisen. Als er den Waldrand erreichte, traf eben auch das III. Bataillon dort ein, Major Euler, Hauptmann Freiherr von Feury und Oberleutnant Graf Armansperg zu Fuß an dessen Spitze. Der Adjutant wies das Bataillon an, unverzüglich an Badonviller südlich vorbeizugehen und links vom I. Bataillon in den Kampf einzugreifen. Als Artilleriebedeckung wurde die 11. Kompanie unter Hauptmann Graf Spreti abgesondert.

Als der Regimentsadjutant wieder am Nordosteck von Badonviller eintraf, sah er schon von weitem dort seinen Oberst stehen. Unversehrt! Der aber hatte inzwischen eine Leibertat begangen, die ein glänzend Vorbild war persönlicher Tapferkeit dem ganzen Regimente. Es war dem Oberst, wie er Deckung suchte vor dem mörderischen Feuer, das Pferd erschossen worden. Zu Fuß eilte er daher weiter und fand endlich Schutz hinter einer Mauer. Da fiel ihm plötzlich ein, dass am Sattel des Pferdes ja noch des Prinzen Arnulf Säbel befestigt sei. Ohne zu zaudern und nicht achtend der erneut auf ihn abgegebenen Schüsse sprang der Oberst wieder an sein Pferd heran und löste den Säbel. Wie durch ein Wunder nur blieb er unverletzt bei dieser Heldentat.

Inzwischen war auch die Maschinengewehr-Kompanie als Regimentsreserve mit freigemachten Gewehren von Les Carrieres her am Nordrand von Badonviller eingetroffen. Während der Zug Wolfrum dem II. Bataillon zur Verfügung gestellt wurde, rückte der Zug des Oberleutnant Freiherr von Riedheim zum I. Bataillon, wo er aus einem Garten von Fenneviller mit gutem Erfolge gegen zurückgehende Teile des Feindes wirken konnte. Auch eine Gruppe der 10. Kompanie war beim Regimentsstabe eingetroffen, es war eine jener Gruppen, die am 9. August als Straßensperre gegen die Vogesen zurückbelassen war. Nach Erledigung ihrer Aufgabe rückte sie heute heran, und als sie auf ihrem Anmarsche Gefechtslärm hörte, und erfuhr, dass das Leibregiment im Kampfe stehe, da gab es für diese braven Leiber nur den einen Wunsch, noch rechtzeitig zum Gefecht ihres Regiments zu kommen. Im Eil- und im Laufschritt rückten sie an, keuchend und schweißbedeckt, und ihre Freude war groß, als sie hörten, noch nicht zu spät gekommen zu sein. Mit dieser Gruppe, mit ein paar Ordonnanzen und mit dem Maschinengewehr-Zug des Oberleutnants Graf Holnstein kämpfte sich der Regimentsstab zum Stabe des in einer Mulde westlich Badonviller gelegenen II. Bataillons vor. Noch war hiebei mancher Widerstand im Orte zu brechen; doch Holnsteins Maschinengewehre taten ganze Arbeit.

Das III. Bataillon setzte, nachdem es vom Regimentsadjutanten Weisung erhalten hatte, vorerst seinen Marsch längs der Waldränder fort und rückte zunächst auf die Höhe 391 südlich Badonviller. Von hier aus begann es mit der 10. und 9. Kompanie in vorderer Linie, mit der 12. Kompanie links gestaffelt, den Angriff gegen Fennewiller. Anfangs gewann das Bataillon gut Raum; als es aber aus dem Walde ostwärts Fenneviller auf freies Feld trat, da empfing es ein wahrer Hagel von Infanterie- und Maschinengewehrgeschossen. Der Feind schien sich hauptsächlich in Fenneviller und in dem mit Fenneviller fast zusammenhängenden Pexonne  eingenistet zu haben. Hohe Getreidefelder und Kartoffeläcker behinderten den liegenden Schützen des Bataillons den Blick nach dem Feinde. Die Verluste mehrten sich, und schon war es notwendig geworden, zwei Züge der 12. Kompanie in die vordere Linie zu nehmen. Da rief der todverachtende Kommandeur, Major Euler, seinen Leuten zu: „Wir müssen vorgehen!“ und riss sein Bataillon durch sein persönliches Beispiel mit vor. Obwohl bald verwundet durch einen Knieschuss, behielt er die Führung bei. Endlich, nach einigen Sprüngen, gelang es den Kompanien, des Feindes ansichtig zu werden und ihn unter gezieltes Feuer zu nehmen. Da wurde Major Euler ein zweites Mal getroffen, diesmal tödlich. An der Spitze seines Bataillons, dieses zum Siege führend, für das Vaterland zu sterben, bis zum letzten Atemzuge ein leuchtendes Beispiel seinen Kompanien, das war Eulers stolzes Schicksal geworden. Und unmittelbar nach ihm wurde sein treuer Adjutant, Oberleutnant Franz Graf Armansperg, durch ein Schrapnell so schwer getroffen, dass er bald darauf entschlief. Während einer kurzen Wiedererlangung des Bewusstseins fragte er noch: „Haben wir gesiegt?“ und auf die ihm gewordene Antwort „Ja“ spielte ein leises Lächeln um seine Züge. Und wie Euler an der Spitze seines Bataillons, so starb Hauptmann Freiherr von Feury, der Chef der Neunten, den Heldentod an der Spitze seiner Kompanie. Sein Geist aber lebte weiter in den Reihen der von ihm erzogenen Mannschaften, die von ihrem toten Hauptmann nicht wichen, wenn auch ganz besonders schweres Maschinengewehrfeuer aus den verstecken von Pexonne gerade jetzt erschreckend unter ihnen wütete. Schwere Minuten galt es da zu meistern. Erst als Leutnant der Reserve Egger der 12. Kompanie mit seinem Zuge unter bedeutenden Verlusten bei Pexonne eingedrungen und Feldwebel Schaller mit Mannschaften der 10. und 12. Kompanie gegen ein von links in die Flanke schießendes Maschinengewehr vorgegangen war, wurde die Lage der 9. Kompanie wieder erträglicher. Auch die rechts von der 9. eingesetzte 10. Kompanie bekam wieder Luft und ging mit inzwischen als Artilleriebedeckung frei gewordenen Teilen der 11. Kompanie nun gleichfalls gegen den Ostrand von Pexonne vor.

So waren also nach und nach die drei Bataillone des Regiments nebeneinander ins Gefecht getreten. Von 12 Uhr mittags an waren sie unbestrittener Herr von Badonviller und Fenneviller. Der Feind war, wo er sich vorher zäh verteidigt hatte, gewichen und hatte jeden weiteren Widerstand aufgegeben. Da das Regiment nach einem eingetroffenen Divisionsbefehl die Linie Neuviller – Höhen östlich Badonviller nicht überschreiten sollte – dieser Befehl war durch die Ereignisse allerdings längst überholt – ließ der Oberst das Signal „Das Ganze! Halt!“ blasen und befahl den Bataillonen, sich in ihren Stellungen nach Ordnung der Verbände zur Verteidigung einzurichten. Und wo noch vor kurzer Zeit heftiger Feuerkampf gewütet hatte, da standen jetzt, wie nach beendeter Manöverübung, Gruppen von Leibern und setzten Gewehre zusammen.

Das Regiment hatte seinen ersten Sieg erfochten. Es hatte einen zur Verteidigung eingerichteten Feind angegriffen, der wohl bei voller Würdigung der Lage nur planmäßig und mit Artillerieunterstützung hätte angegriffen werden sollen. Aber der unübertreffliche, prachtvolle Angriffsgeist der Leiber hat die Nachteile einer taktisch vielleicht nicht ganz gerechtfertigten Fechtweise nicht zur Wirkung kommen lassen. Ehe sich es der Franzose versah, saß ihm der Leiber an der Kehle. Und wenn der Angriff des Leibregiments an diesem Tage auch nicht in der Absicht der höheren Führung gelegen war, so war er doch zum großen Erfolge geworden. Nicht nur, dass hier am Nordabhange der Vogesen der Deutsche unzweifelhaft den ersten Sieg errungen hatte, die Wucht des Leiberangriffs hatte auch entschieden dazu beigetragen, einen Durchbruch starker feindlicher Kräfte zu durch die Vogesen in die Rheinebene zu vereiteln. So kennzeichnet denn auch ein späterer Tagesbefehl des Generalkommandos den operativen Wert des Gefechts von Badonviller wie folgt: „Das Armeekorps hatte die Aufgabe, vorzustoßen und starke Kräfte auf sich zu ziehen. Durch die seltene Tapferkeit der Truppen ist dies völlig gelungen; eine starke Übermacht setzte der Gegner gegen uns an, da ihn der kühne Vorstoß gegen Badonviller irregeleitet hatte.“

Die höhere Führung hatte am Morgen des Tages in das Gefecht erst dann eingreifen können, als Badonviller längst schon genommen war. Der brigadekommandeur sandte etwa 8.30 Uhr vormittags die Brigadereserve, die 5./1. Infanterie-Regiment nach Badonviller, wo sie noch in den Häuserkampf verwickelt wurde und beorderte die 1. Abteilung des 7. Feldartillerie-Regiments nach Les Carrieres, von wo aus zwei Batterien das Feuer aufnahmen. Eine dritte Batterie wurde dann später an den Nordrand von Badonviller vorgeworfen. Der Divisionskommandeur stellte seinerseits das I. Bataillon des 16. Infanterie-Regiments und die 1. Abteilung des 1. Feldartillerie-Regiments zur Verfügung. Die beiden Eskadrons der Division wurde zur Sicherung und Aufklärung in die linke Flanke der 1. Infanterie-Brigade entsandt. Das rechts vom Leibregiment stehende 1. Infanterie-Regiment wurde angewiesen, durch einn Vorstoß nach Süden das Leibregiment zu entlasten. Auch die 2. Infanterie-Division wurde gebeten, von Halloville auf Ancerviller vorzustoßen. Bis indessen diese Maßnahmen wirksam werden konnten, hatte das Leibregiment schon längst seine Arbeit getan und den Feind geworfen.

Zwischen 10 und 11 Uhr vormittags begann die Artillerie sich umzugruppieren. Batterien der 1. Abteilung 7. Feldartillerie-Regiment, später auch der 1. Abteilung 1. Feldartillerie-Regiment gingen unmittelbar westlich Badonviller in Stellung. Mit lautem Jubel begrüßten die Leiber jeden bellend aus den Rohren fahrenden Schuss. Die 3. Batterie des 7. Feldartillerie-Regiments, die kurze Zeit auf einer Höhe südlich Badonviller in Stellung war, ging 10.30 Uhr östlich Fenneviller in offener Feuerstellung und zwang eine feindliche Batterie südlich Pexonne, die dem I. Bataillon sehr unangenehm geworden war, in kurzer Zeit zum Schweigen.

Während die Bataillone des Regiments unbehelligt vom Feinde ihre Verbände ordneten, war es in Badonviller selbst immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Immer wieder fielen einzelne Schüsse. Besonders in Gegend der Kirche und des Hauptplatzes hielten sich noch Versprengte verborgen und belästigten die den Ort absuchenden Kompanien des I. Bataillons. 16. Infanterie-Regiments. Im Laufe der ersten Nachmittagsstunden war auch das vom Divisionskommandeur nachgezogene 2. bayerische Infanterie-Regiment in Badonviller eingetroffen. Um gegen neue Feuerüberfälle gesichert zu sein, nahm das vorderste Bataillon dieses Regiments dem Bürgermeister von Badonviller an seine Spitze. Mit einer langen weißen Fahne in der Hand hatte dieser die eigenen Landsleute vom Schießen abzuhalten. Trotzdem wurde das vorderste Bataillon plötzlich von einem Hagel von Geschossen überschüttet. Unglücklicherweise befand sich befand sich zu gleicher Zeit die endlose Wagenkolonne mit den Verwundeten des Leibregiments auf den Straßen. Gar manche der Verwundeten wurde ein zweites mal getroffen. Einzelne Wagenbespannungen, deren Lenker getroffen waren, wurden scheu, und in wilder Flucht rasten mit Schwerverwundeten beladene Fahrzeuge die im Kreuzfeuer liegenden Straßen. Aber bald machten die Zweier und Sechzehner kurzen Prozess, wie am 10. August die Leiber in Parux. Wo geschossen wurde, wurde nach Kriegsrecht verfahren.

Von 4 Uhr nachmittags an wurde das Leibregiment auf Befehl der 1. Division durch das 2. Infanterie-Regiment abgelöst. Seine Bataillone sammelten in der Nähe des Regimentsstabes westlich Badonviller.

Etwa 5 Uhr nachmittags begann plötzlich wieder französisches Maschinengewehrfeuer in der Ortschaft. Vom Kirchturm herab beschoss ein wider alles Erwarten dort oben noch versteckt gehaltenes Maschinengewehr das auf dem Marktplatz rastende I. Bataillon 16. Infanterie-Regiment Hauptmann von Bomhard des 1. Feldartillerie-Regiment mit seiner Batterie beim Stabe des Leibregiments mit Front nach Westen stehend, ließ ein Geschütz wenden und schoss persönlich mit direktem Schuss auf das Fenster des Kirchturms. Schon der erste Schuss fuhr mitten ins Fenster hinein; das Maschinengewehr aber war verstummt für immer. Währenddessen herrschte auf  auf dem Biwakplatze des Regiments reges Leben; die Feldküchen kamen angefahren und brachten die Mittagskost; nach der Entspannung des Gefechts wurden Hunger und Appetit der Leiber nur noch übertroffen durch brennenden Durst, den ungezählte, immer wieder gefüllte Eimer frischen Wassers kaum zu löschen vermochten.

Ein Divisionsbefehl wurde den Kompanien bekannt gegeben; die Absätze „Feind (mehrere Bataillone mit Maschinengewehre und Artillerie) ist bei Badonviller vom Infanterie-Leibregiment geschlagen worden und befindet sich in fluchtartigem Rückzuge“ und „dem Infanterie-Leibregiment, das ich zu seinem tapferen Verhalten und seinem schönen Erfolge den Glückwunsch des Kommandierenden Generals und meinen eigenen ausspreche“ lösten bei allen Offizieren und Mannschaften begeisterte Hurrarufe aus. Etwa 6.30 Uhr abends, traf der Divisionskommandeur, Generalleutnant von Schoch, persönlich beim Regimente ein; unvergesslich wird es jedem Augenzeugen bleiben, wie er den siegreichen Regimentskommandeur umarmte und ihn zu dem herrlichen Siege seine Regiments beglückwünschte. Kurz darauf konnte den Bataillonen noch ein anderer Divisions-Befehl verlesen werden folgenden Wortlauts: „Seine Exzellenz der Kommandierende General lässt der 1. Infanterie-Brigade zu ihrer Haltung und zu ihrem Erfolge, besonders dem Infanterie-Leibregiment, gratulieren. Ich bin stolz, eine solche Prachttruppe, als die sich heute das Infanterie-Leibregiment und das 1. Infanterie-Regiment erwiesen haben, unter meinem Befehl zu wissen.

Im weiteren Verlauf des Nachmittags begruben die Leiber ihre toten Kameraden, manche draußen, da wo sie ihr Leben gegeben haben für des Regimentes Ehre, manche drinnen im Friedhof von Badonviller. Ein einfach Holzkreuz, ein Busch Rosen oder Nelken oder ein Feldblumenstrauß schmückten die Gräber der 7 Offiziere und 90 Unteroffiziere und Leiber, denen heute so früher, aber herrlich schöner, durch Sieg gekrönter Soldatentod beschieden war. Unvergessen bleibt uns ihr Name, unvergessen ihr Vorbild, unvergessen ihr durch Tod besiegelte Treue. Ehrend werden wir aber auch immer der 14 verwundeten Offiziere und 308 verwundeten Unteroffiziere und Leiber gedenken. Stundenlang mussten die Schwerverwundeten in glühender Sonnenhitze, auf Leiterwagen gelegt, ihres Abtransportes harren, und als dieser endlich beginnen konnte, waren die Wehrlosen in den Straßen Badonvillers erneut mörderischem Feuer aus Kellern und Fenstern ausgesetzt. Doch kein Stöhnen und Jammern und Wehklagen war zu hören. Mannhaft trugen sie den Schmerz. Ind als ihnen durch den Regimentsadjutanten mitgeteilt wurde, dass ihr Regiment einen herrlichen Sieg errungen, dass es 800 Gefangene gemacht, dass es zwei Kriegskassen mit 50.000 Francs in Gold erbeutet und weit überlegenen Feind in wildem Anlaufe geschlagen habe, da winkten sie mit matter, blutiger Hand und ein leises Hurrah enthauchte ihren Lippen. Bei manchen allerdings leuchtete nur ihr Blick. Mit Einbruch der Dunkelheit machten sich die Bataillone des Regiments marschfertig. Mitten hindurch durch das brennende Badonviller führte alsdann der Rückmarsch. Welch grausig schönes Bild sich da dem Regiment bot! Hier glühende Balken von den Dächern stürzend, hier helle Flammen aus den Fenstern schlagend, dort grell erleuchtete Rauchschwaden gegen Himmel ziehend. Und an den Straßenecken standen und saßen zusammengerottet Trupps armer Weiber und Kinder, die tagsüber versteckt, jetzt aber vom Feuer aus ihren Schlupfwinkeln getrieben waren. Weiter ging der Marsch hinein in das Dunkel der Nacht, vorbei am stillen Friedhofe. Rückwärts blickend aber sahen wir Tausende von Glutfunken sich hoch hinaufwirbelns über das brennende Dorf als Fanal unseres ersten Sieges.

Bei Neuviller bezog dann in später Abendstunde das Regiment als Divisionsreserve Biwak. Gefühle weher Trauer um die verlorenen Freunde und Kameraden bewegten in jähem Wechsel mit freudigem Stolze ob unseres ersten Sieges unser aller Herzen. Und lange noch floh der Schlaf die müden Augen der um die Feuer sich kauernden Leiber. Ales es aber allmählich ganz stille geworden war, Mitternacht war längst vorüber, das schrieb der Chef der 6. Kompanie die heute losgestürmt war als erste vom Regiment, unser Robert Graf von Bothmer, auf eine Meldekarte wie folgt:

O Badenweiler, schöne Stadt,
Du Perle der Vogesen,
Wie mancher der um dich gefreit
In ungestümer Tapferkeit
Wird nimmermehr genesen!
Die Leiber kamen über Nacht,
Und in des Morgens erster Bracht,
Da hatten sie in Waffentanz
Den allerschönsten Jungfernkranz,
So kennt der Feind am ersten Tag
Der Leiber schweren Kolbenschlag.
Still grub man unsere Toten ein
Auf Siegeshöhen in langen Reihn.
Wir aber hielten Totenwacht!
In hoher Flamme großer Pracht.
Durch Sieg und Tod ewig geeint,
So stehn die Leiber vor dem Feind

Am 13. August hatte sich das I. bayerische Armee-Korps da, wo es stand, einzugraben. Da jedoch der weit vorgeschobene linke Flügel der 1. bayerischen Infanterie-Division gefährdet schien, wurden hier nur Vorposten belassen, während die Division sich auf den Höhen südlich Montreux und Parux zur Verteidigung einzurichten hatte. Vom Regimente wurden im Laufe des Vormittags – nachdem ein vollkommen neue Offizierseinteilung vorgenommen worden war und zwei Bataillone und sechs Kompanien neue Führer erhalten hatten – das I. Bataillon nach Haut d‘ Abre zur Verfügung des 1. Infanterie-Regiments und des II. Bataillons nach Les Carrieres zur Verfügung des Brigadekommandeurs.“.

Man begrub Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling auf dem Soldatenfriedhof Reillon in einem Massengrab.

In Planegg gedenkt man Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2022/planegg_lk-muenchen_wk1_wk2_by.html

Der deutsche Politiker (CSU) und Bauernfunktionär Otto Freiherr von Feury war der Sohn von Friedrich Freiherr von Feury auf Hilling.

Hauptmann Freiherr von Feury, Kompanieführer der 9. Kompanie des bayerischen Infanterie-Leib-Regiments