Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 188: Heinrich Kophal

Der Soldat Heinrich Kophal wurde am 01.08.1884 geboren und stammte aus Növenthien, einem Ortsteil der niedersächsischen Gemeinde Suhlendorf. Von Beruf war er Dachdeckermeister. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 11. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 fiel er während der Vogesenkämpfe im Elsass. Er wurde nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsaässisch: Menschter) im Alter von 31 Jahren getötet. Er fiel am Lingekopf.

Über den Todestag und die Todesumstände von Hermann Schröder berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Erstürmung des Lingekopfes

4. August 1915

Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.

Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!

3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.

Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.

Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.

Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.

Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:

10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie

12.50 Uhr – 1 Uhr Pause

1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke

3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle

3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer

4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause

4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer

5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle

5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers

6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers

Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.

Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.

Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.

Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.

Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.

Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.

Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.

Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.

Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!

Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!

Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.

Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.

Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.

Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.

Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.

Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.

Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.

Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.

Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.

Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!

Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.

Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.

Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“

Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.

Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.

Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.

Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.

Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor. Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.

Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:

„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“

Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.

Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.

Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.

Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.

Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.

Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.

Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.

Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.

Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.

Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.

An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.

Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.

Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.

Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.

Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.

Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.

Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.

Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“

Man begrub Heinrich Kophal auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 77.

Das Grab von Heinrich Kophal auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 187: Heinrich Brückweh

Der Soldat Heinrich Brückweh wurde am 10.04.1893 geboren stammte aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Kriegsfreiwilliger in der 3. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 04.08.1915 fiel er während der Vogesenkämpfe im Elsass im Alter von 22 Jahren nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter).

Über den Todestag und die Todesumstände von Heinrich Brückweh berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Erstürmung des Lingekopfes

4. August 1915

Der größte Teil des ganzen Abschnitts, den wir jetzt besetzt halten, ist nur eine Notstellung. Ursprünglich waren die deutschen Gräben oben auf dem Kamm des Lingekopfes. Aber der Franzmann hat sie im Juli unseren Truppen weggenommen, ja er war teilweise noch darüber hinaus vorgedrungen. Ein späterer Gegenangriff hatte ihn aber wieder bis auf den Gipfel zurückgeworfen.

Hier liegt es nun in naher Entfernung über uns – wörtlich zu nehmen! Denn der Berg hat etwa 30 Grad Steigung! Das ist natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Er muss beseitigt werden, koste es was es wolle. Division, Brigade und Regiment haben schon fieberhaft vorgearbeitet. Bis ins einzelne ist alles erwogen. Heute soll der Lingekopf zurück in deutschen Besitz!

3. August spätabends Fernspruch. Die Bataillonskommandeure und einige andere Offiziere werden zum Regimentsgefechtsstand gerufen. Oberstleutnant von Bieberstein erteilt mit knappen, klaren Worten den Befehl: „Morgen abend um 6 Uhr greift das Regiment, in drei Sturmkolonnen geteilt, die Stellung des Gegners an und nimmt die alten deutschen Gräben. Die linke Sturmkolonne führt Hauptmann Settmaier, die mittlere Hauptmann Bowien, die rechte Leutnant Heweker“. Übersichtliche Skizzen werden ausgeteilt. Noch eine kurze Besprechung, Erklärung der Unterstützung durch Artillerie und Minenwerfer. Dann: „Hat einer der Herren noch eine Frage?“ Nein? Auf Wiedersehen!“ – Auf Wiedersehen!“ Jeder strebt seiner Behausung zu, den Kopf voll von Gedanken, wie man wohl dem Franzmann am besten beikommt.

Zögernd dämmert der Morgen des 4. August herauf. Die Kompanieführer rufen ihre Zugführer zu sich in den Unterstand, machen sie mit dem Befehl und den Einzelheiten des Sturmes bekannt.

Als Angriffstruppen sollen am rechten Flügel die 3. und 4., in der Mitte die 7. und 8. und links die 11. und 12. Kompanie in vorderer Linie verwendet werden.

Stellung am Lingekopf am 05.08.1915 nach dem Sturm

Jeder Sturmkolonne werden ⅔ Zug Pioniere, ein Fernsprechtrupp und eine Artilleriebeobachter mit Kabel zugeteilt. Außerdem erhalten die beiden Abteilungen auf dem rechten und linken Flügel je ein schweres Maschinengewehr.

Die Zeiteinteilung für den Sturm ist folgende:

10 Uhr – 12.45 Uhr Einschießen der Artillerie

12.50 Uhr – 1 Uhr Pause

1 Uhr – 3.30 Uhr Artilleriefeuer mittlerer Stärke

3.30 Uhr – 3.40 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengeweher-Feuer von den benachbarten Bergen Eichenrain und Schratzmännle

3.40 Uhr – 4.20 Uhr Artilleriefeuer

4.20 Uhr – 4.30 Uhr völlige Pause

4.30 Uhr – 5.10 Uhr Artilleriefeuer

5.10 Uhr – 5.20 Uhr Artillerie-Feuerpause, Maschinengewehr-Feuer vom Eichenrain und Schratzmännle

5.20 Uhr – 6 Uhr höchste Steigerung des Artilleriefeuers

6 Uhr Infanteriesturm und Vorverlegen des Artilleriefeuers

Der Ernst und die Schwere der Aufgabe, die zu lösen ist, steht jedem auf dem Gesicht geschrieben. Die Kuppe des Lingekopfes hat ja nach dem ersten Verlust schon mehrfach den Besitzer gewechselt. Wiederholt sind deutsche Truppen gegen diese starke Begbefestigung todesmutig angerannt, immer wieder ist sie in die Hand der Feinde zurückgefallen. Nun sollen Niedersachsen sich endgültig in den Besitz des Berges setzen.

Aber bei Einsicht in die sorgsame Vorbereitung dieses Angriffs muss einem das Herz leicht werden. und so ist es auch. Keiner zweifelt mehr an dem Erfolg des Unternehmens. Auch unsere Leute nehmen den Befehl ruhig und gefasst auf. Den Ernst der Lage erkennt jeder, jeder weiß auch, dass es Opfer kosten wird. Aber nirgends eine Spur von Niedergeschlagenheit!. Nur eines behagt der am rechten Flügel liegenden 3. Kompanie niecht: In dem Angriffsplan ist nicht erwähnt, ob das vor ihrer Stellung liegende französische Blockhaus gestürmt werden soll. Es heißt nur, dass die 3. Kompanie die Flankensicherung übernehmen und der 4. Kompanie folgen soll. Leutnant Presler eilt rasch zum Bataillon und erhält die Erlaubnis für die Erstürmung des Blockhauses. Leutnant Conrad soll dabei mit einem Maschinengewehr helfen. Nach dieser wertvollen Ergänzung des Angriffsplanes ist alles klipp und klar. In unserem Tatendrang ist uns der Besitz des Berges schon so gut wie sicher.

Auch außerhalb der Sturmkolonnen wird Klarheit geschaffen. Handgranatentrupps werden ausgesondert, den Zügen in 1., 2. und 3. Linie ihre Stellung angewiesen. Die Reservekompanien erhalten die nötigen Befehle. Munition und Handgranaten werden ergänzt. Kurz, es wird alles bis ins kleinste vorbereitet.

Um 9 Uhr morgens werden unsere vordersten Gräben unauffällig geräumt. Nur einige Beobachtungsposten bleiben vorne. Genügend Freiwillige haben sich zu diesem gefährlichen Dienst gemeldet.

Plötzlich ein donnerartiges Krachen. Der Berg erzittert. Unsere schweren Minenwerfer haben ihre Arbeit begonnen. Schuss auf Schuss folgt jetzt. Gespannt blicken wir hinauf auf die Höhe. Schlägt so ein Brocken ungefähr richtig ein, dann halten wir nicht mit unserem Beifall zurück. Es rührt sich in uns ein Gefühl der Vergeltungsfreude. Wurscht wider Wurscht. Damals vom Altmattkopf her haben uns die Franzmänner das Leben mit ihren Minen sauer gemacht. Heute sollen sie selber einmal spüren, wie wohl das tut.

Nach einer Stunde, um 10 Uhr, kommt ein neuer Ton in das Konzert. Heulend saust die erste Granate über unsere Köpfe weg in die feindliche Stellung. Die Artillerie schießt sich ein. Eine Batterie nach der andern beginnt das Feuer. Vom kleinkalibrigen Gebirgsgeschütz bis zum 21-cm-Mörser. Auch ein Artilleriebeobachter hat sich vorne bei uns eingefunden. Er sucht Anschluss an seine Zentrale, aber es gelingt ihm nicht.

Dafür steigert sich der Ehrgeiz unserer Artillerie, feindliche Stellung kurz und klein zu hauen. Schon fliegen die Balken und Felsdeckungen eines französischen Unterstandes hoch durch die Luft. Im nächsten Augenblick sitzt auch schon ein 21er in unserem Graben. Fernsprecher her! Aber die Verbindung zur Artillerie klappt immer noch nicht. Also Meldegänger los! Sie hasten den Berg hinab. Einige Posten kommen von vorn zurück: der eigene Graben liegt unter Feuer. Wieder wird an der Artilleriestrippe gebastelt. Vergebens! Kein Schwanz meldet sich.

Inzwischen hauen die Granaten immer kürzer ein. Ein Pioniertrupp, der an der Riegelstellung arbeitet, verliert durch ein Schrapnell 7 Mann. Auch in unsern Reihen fällt hier und dort einer aus. Die Sturmkolonnen müssen weiter zurückgenommen werden. Noch kürzer schlagen die Geschosse ein. Noch mehr zurück die Sturmmannschaften! Bange taucht die Frage auf, ob wir bei der Steilheit des Berges überhaupt frühzeitig genug oben sein können, bevor der Franzmann wieder in seinen Gräben ist.

Endlich ist die Verbindung mit der Artillerie hergestellt. Unsere Meldung über das Zukurzschießen wird aber nicht geglaubt. Die „eigene feindliche Artillerie“, wie sie schnell getauft wird, schießt weiter. Sie räumt zwar gut in der französischen Stellung auf, leistet sich aber immer noch Kurzschüsse, die uns immer neue Verluste zufügen. Bis zum Abend 200 Mann!

Sichtbar belebt wird die Stimmung, als um 1 Uhr mittags das Wirkungsschießen beginnt. Ein Hagel von Geschossen aller Kaliber, vom dumpfen Krachen schwerer Minen unterbrochen, zerschlägt die feindlichen Gräben. Beunruhigt tacken die französischen Maschinengewehre. Die Höhenstellung verschwindet im Rauch und Pulverqualm. Aber immer noch schlägt das unruhige Gewehrgeknatter an unser Ohr. Noch ist der Franzmann nicht mürbe!

Eine wohltuende Abwechslung in das betäubende Krachen der Granaten und Minen bringen mehrere Feuerpausen von 10 Minuten. Dann setzen unsere Maschinengewehre hinter uns ein und fegen mit ihren Garben über unsere Köpfe hinweg. Deutlich hören wir jetzt die angstvollen Schreie der verwundeten Franzosen über uns. Unser Wirkungsschießen muss ja auch fürchterlich da oben gewütet haben.

Aber auch diese Feuerpausen haben für die Franzmänner schreckliche Folgen, wie die mit Leichen angefüllten Gräben später zeigen. Mit dem auf die Minute festgesetzten Abbrechen unseres Artilleriefeuers glauben nämlich die Franzosen, dass nun unser Angriff beginnt. Sie stürzen aus ihrer Reservestellung nach vorne und stehen schussbereit da. Gespannt warten sie auf die ersten Ziele, die sich zeigen – warten und warten – da haut auch schon wieder nach der Feuerpause die erste schwere Granat mitten unter sie und vernichtet alles.

Von 5.15 Uhr ab erhöht sich die Feuergeschwindigkeit unserer Artillerie. Ein Orkan von Eisen und Stahl fegt durch die Luft. Baumstämme stürzen mit dumpfen Aufschlag, Felsen bersten krachend und überschütten uns mit einem Steinhagel.

Aber je toller es zugeht, desto mehr steigert sich unsere Angriffslust. Der Zeitpunkt für das Hervorbrechen kann kaum abgewartet werden. Bajonette blitzen schon über den Gewehrmündungen, im Sturmgepäck steht Mann an Mann an den Ausfallstufen.

Schlag 6 Uhr springen die Zugführer aus den Gräben, gefolgt von ihren tapferen Mannschaften. Jetzt alles heran an den Feind, auch die Reserven. Handgranatentrupps vor! Kein Gewehrschuss darf fallen, bevor wir nicht oben sind. In keuchender Eile geht es den Berg hinauf. Schon im eigenen Drahtverhau ganz am rechten Flügel fällt als erster des Sturmes Leutnant Kruse von der 3. Kompanie. Eine wohlgezielte Infanteriekugel hat ihn zu Tode getroffen. Handgranaten- und Maschinengewehr-Feuer aus dem Blockhaus empfängt die Stürmenden.

Über alles kann den ungestümen Schwung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften nicht mehr schwächen. Schon künden die ersten Detonationen von Handgranaten, dass die Kuppe erreicht ist. Am rechten Flügel stürmen mit hocherhobenem Stock und die Pistole in der linken Leutnant Presler und Zizefeldwebel Krüger ihren Kameraden voraus. Bald sind sie am Blockhaus. Leutnant Presler steht eben aufrecht davor. Da läuft ein Alpenjäger mit dem Bajonett auf ihn los. Er wehrt den Angreifer mit dem Stock ab. Jetzt sind auch schon die ersten von der Gruppe da. „Packt ihn!“ Sie stürzen sich auf den Alpenjäger. Der wirft aber das Gewehr fort. In wütendem Nahkampf werden die Reste der Besatzung den Berg hinabgeworfen. Wer sich von den Alpenjägern noch wehrt, wird niedergemacht oder gefangengenommen.

Unweit davon stürmt mit seltenem Schneid ein anderer Trupp in die feindliche Stellung. Leutnant Warnecke ist es von der 4. Kompanie an der Spitze seines aus lauter Freiwilligen bestehenden Handgranatentrupps. Mit lautem Hurra werden die Gräben genommen.

Unteroffizier Götze (1. Kompanie) ist einer der ersten und geht der Besatzung mit bekannter Furchtlosigkeit zu Leibe. Vier Offiziere und über 20 Mann werden zu Gefangenen gemacht.

Unteroffizier Schnelle steht ihm als Führer eines weiteren Freiwilligentrupps an heroischer Tapferkeit nichts nach. Als er den zweiten feindlichen Graben noch besetzt findet, geht er mit blanker Waffe vor, springt als erster mitten unter die verdutzten Franzosen und räumt nun mit Hilfe seiner braven Leute gründlich auf. Da stürmt ihm mit aufgepflanztem Bajonett Verstärkung entgegen. Kaltblütig lässt er sie herankommen und erledigt sie im Nahkampf. Schnelle hält mit wenigen Leuten seinen Graben gegen vielfache Übermacht. Dabei findet der heldenhafte Gefreite Bakemeyer den Tod durch Handgranate.

Soweit das Auge reicht, rechts und links, überall ist der Nahkampf entbrannt. Wir wissen kaum, wie wir hinaufgekommen sind, aber wir sind oben. Schrapnells krepieren über, Handgranaten neben uns. Wir stehen im erstickenden Pulverdampf. Gesichter tauchen auf aus dem Dunst. Hier auf einem Felsblock der Kompanieführer der 3., Leutnant Heweker. Mit bombiger Ruhe leitet er durch Zeichen den Sturm. Im nächsten Augenblick hüllt ihn wieder eine Dampfwolke ein. und wie die Leute kämpfen! Jeder einzelne! Ein Bild für einen Schlachtenmaler!

Fast überall wehrt sich der Franzmann tapfer. Wenn man bedenkt, dass er viele Stunden im zermürbenden Wirkungsfeuer gestanden hat, so können wir heute seiner Zähigkeit und seinem Mut nur Achtung zollen. Mitten im Kampf versucht er seine Maschinengewehre in Tätigkeit zu setzen. Aber umsonst. Er wird von unseren wütenden Leuten einfach überrannt. Das Gewehr spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie gehen ihm mit Handgranaten zu Leibe. Als der Vorrat zu Ende geht, nehmen sie Felsstücke. Dicke Steine fliegen in hohem Bogen hinter den Flüchtenden her. Derbe, für den Franzmann wenig schmeichelhafte Kraftworte begleiten sie.

Da! Ein Lager französische Handgranaten. Irgendeiner hat es entdeckt. Ein Alpenjäger wird geschnappt, der muss schnell Unterricht erteilen. In der nächsten Minute schon sausen die kleinen Dinger den Berg hinunter, mitten unter die feindlichen Wellen, die im Gegenstoß nach oben drängen. Gerade noch rechtzeitig kommt von rückwärts ein neuer Vorrat an Handgranaten. Wum … Wum … Wum … Krachend bersten sie und reißen blutige Lücken. Der Angreifer gibt für diesmal auf. Hinter Feldblöcken Schutz suchend springt er wieder zurück.

Derweilen wird aus dem Blockhaus schon das erste Maschinengewehr als Beute herausgetragen. In heller Begeisterung springt der junge Vizefeldwebel Krüger, ungeachtet der feindlichen Geschosse, oben auf einen freisthenden Felsblock, schwenkt die Mütze und stimmt das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ an. Wie ein Sturmgesang braust es durch die Reihen der Lingekopferoberer „über alles, über alles in der Welt!“

Leutnant Conrad hat inzwischen sein Maschinengewehr unter unsäglichen Schwierigkeiten und Gefahren an einer vorspringenden Bergnase in Stellung gebracht und feuert mit eiserner Ruhe in die abziehenden Reihen der Alpenjäger. Sein Ziel ist lohnend, denn schon setzen ganze Trupps von Franzosen dicht unter ihm zum Gegenstoß an. Er schießt sie alle, ehe sie sich richtig entwickeln können, mit staunenswerter Sicherheit zusammen. Ein Bild eigener Größe, wie er seinen tapferen Leuten, den Kugeln preisgebend, auf einem freien, erhöhten Fels liegt und ins Tal hinunterfeuert.

Doch plötzlich verstummt sein Gewehr. Von einem Querschläger in die Schulter getroffen, sinkt der tapfere Offizier blutüberströmt hinter seiner Waffe zusammen. Während er verbunden wird, hat schon ein anderer das Gewehr ergriffen und feuert in den Berg heraufkommender Reihen. Zu Tode getroffen sinkt auch dieser Brave in die Kniee. Ein dritter wagt es, die Handgriffe zu nehmen und auf den Abzugshebel zu drücken. Nur wenige Kugeln sind heraus, da schweigt sein tack-Tack wie abgerissen. Eine Kugel in den Bauch hat den Tapferen hingerafft. Sekunden nur, da liegt der vierte ohne Zaudern an den Griffen und mäht den Hang hinunter, bis auch dieser nach wenigen Augenblicken verwundet heruntergetragen wird.

Das Mschinengewehr muss aus allernächster Nähe Flankenfeuer bekommen. Das ist den wenigen Überlebenden klar. Und wirklich! Als einige Leute sich kriechend an den Bergvorsprung der rechten Flanke heranpirschen, gewahren sie nur 15 Meter unter sich hinter einem Felsen einen einzelnen Alpenjäger, wie er in aller Gemütsruhe sein Gewehr lädt und gerade anlegen will. Im Nu kracht ein Hagel von Handgranaten zu ihm hinunter und macht ihn unschädlich. Ganz allein hatte sich dieser verwegene Bursche dort gehalten und unsere gesamte Maschinengewehr-Besatzung auf kurze Entfernung abgeknallt.

Gott sei Dank ist diese Gefahr nun endgültig beseitigt. Die vordere Linie links vom blockhaus ist unter Führung des Unteroffizier Bünnemeyer eifrig dabei, Sandsäcke zu füllen und die eingenommene Stellung zu beseitigen. Reserven schieben sich ein und füllen die Lücke. Es ist aber auch höchste Zeit! Denn ganze Gruppen von Alpenjägern drängen hinter Felsblöcken und Baumstümpfen aufwärts. Sie wollen mit aller Gewalt wieder die Kuppe haben. Aber Handgranate auf Handgranate fliegen ihnen vor die Füße, so dass keiner von ihnen an die von Bünnemeyer verteidigte Linie herankommt. Fest ist sie in der Hand der Unsrigen.

Unvergessen bleibt die tatkräftige Unterstützung der 9. Kompanie, die am 4. August zusammen mit dem I. Bataillon eingesetzt wurde. Auch sie hat großen Anteil an den erfolgen der Sturmabteilung Heweker. Im Verbande dieser Abteilung dringen Teile der 9. Kompanie unter Führung des bei diesem Sturm gefallenen Offizierstellvertreter Eschenbüscher bis über den zweiten feindlichen Graben vor. Der Gefreite Recksieck bemächtigt sich eines französischen Maschinengewehrs und macht erst vor dem dritten feindlichen Graben halt.

Was nun geschieht, schildert uns Kamerad Schwarting in lebendigen Worten:

„Auf der granatenzerstampften Kuppe liegen die Sieger in fieberhafter Tätigkeit. Sandsäcke werden in ununterbrochener Kette von unten heraufgelangt und am Rande der Kuppe aufgebaut. Auf dem Leibe kriechend, schiebt jeder die Verteidigungslinie so weit hinaus, wie es eben geht. Zerschossene Baumstämme werden zur Befestigung zwischen die Sandsäcke gelegt. Dann werden die Stahlschilde mit den Schießscharten eingebaut. Von Minute zu Minute wird der Verteidigungsdamm höher und fester. Schon kann der Mann in seinem Schutze dahinter knien, bald steht er aufrecht und späht durch die Scharten den Hang hinunter, wo hinter Felsen noch Feinde kauern und Schuss auf Schuss gegen die entstehende Brustwehr senden. Aber sie müssen zurück, Schritt für Schritt; denn während bei uns die einen bauen, schleudern andere Handgranaten, die mit furchtbarem Getöse explodieren und Schrecken und Verwüstung verbreiten.“

Die Beute des I. Bataillons ist groß. Allein vier Offiziere, ein Arzt und ca. fünfzig unverletzte Alpenjäger werden an Gefangenen gezählt. Eine große Anzahl tote und schwerverwundete Franzosen bedecken den Kampfplatz. Zwei Maschinengewehre mit viel Munition, Hunderte von Handgranaten, zwei Fernsprechapparate (aus dem Blockhaus) und wertvolles Feldbefestigungsmaterial ist in unsere Hände gefallen. Die eigenen Verluste betragen 1 Offizier, 7 Unteroffiziere, 28 Mann tot; 1 Offizier, 18 Unteroffiziere, 103 Mann verwundet.

Die Sturmkolonne des II. Bataillons war von gleichem Angriffsgeist beseelt. Als erster verlässt Hauptmann Bowien um 6.10 Uhr den Graben und geht mit seiner Abteilung mit großem Schnei vor. Da schlägt ein Volltreffer in die 7. Kompanie. Das Hurra erstirbt auf den Lippen. Elf Mann tot! Schon scheint die Sturmkolonne an dieser Stelle zu schwanken, da springt Hauptmann Bowien vor und reißt seine Leute mit sich vorwärts. Gewehr- und Handgranatenfeuer prasselt ihnen entgegen. Durch einen Brustschuss schwer getroffen sinkt Hauptmann Bowien zu Boden.

Für seine Leute gibt es jetzt kein Halten mehr. Wütend arbeiten sie sich der Kuppe zu. Der Sturm gelingt der 7. und 8. Kompanie bis über die feindliche Stellung hinaus. Vierzig Franzosen werden zu Gefangenen gemacht. Die Beute beträgt: 1 Maschinengewehr, 300 Gewehre und einige hundert Handgranaten. Erst als die Meldung von dem sicheren Besitz der feindlichen Stellung zu ihm gelangt, lässt sich Hauptmann Bowien mit einem letzten Hoch auf seine 7. Kompanie nunmehr völlig entkräftet zurücktragen. Tags darauf erliegt er in Kolmar seinen Wunden. Mit ihm fielen Leutnant Schleip durch Herzschuss und 16 tapfere Leute. Verwundet wurden Leutnant Sahlmann, Offizierstellvertreter Sommerlatte und 106 Mann.

Allmählich wird das Gefechtsfeld übersichtlich. Der Lingekopf ist unser. Die rechte Sturmkolonne hat zwei Gräben genommen und beherrscht jetzt den jenseitigen Berghang. Auch die mittlere Kolonne hat ihr Ziel erreicht bis auf ein Grabenstück von etwa 100 Meter Breite, das die Franzosen noch zäh verteidigen.

Nur dem linken Flügel war trotz rücksichtslosen Draufgehens kein Erfolg beschieden. Sein Angriffsziel war das sogenannte Franzosennest, das zwischen Lingekopf und Schratzmännle liegt. Eine Befestigungsanlage, die durch Blockhäuser und Sappen stark gesichert ist.

Schon bei der Artillerievorbereitung gehen mehrere Volltreffer schweren Kalibers in die eigenen Gräben, wie überhaupt der ganze linke Flügel am schwersten unter den verhängnisvollen Kurzschüssen zu leiden hat. Heillose Verwirrung entstehnt. Man rennt bald hier, bald dorthin, um sich vor den eigenen Granaten zu schützen. Aber nirgends ist man sicher. Hier steht eine Gruppe der 10. Kompanie angstvoll zusammengepresst. Da…ein einziger Aufschrei! Ein gutes Dutzend blutender Leiber windet sich im schwefeldampfenden Erdreich. Sechs Mann allein tot, darunter der schneidige Unteroffizier Mürrle. Die übrigen schwer verwundet. Verzweifelte Rufe der Nächststehenden. Schon schlägt dicht dabei eine neue Granate ein. Wohin? Wohin? Wut, Angst, Entsetzen spricht aus den Gesichtern.

Kein Wunder, dass die Verbände auseinanderreißen. Die Übersicht geht verloren. An eine Bildung von Sturmgruppen ist jetzt nicht mehr zu denken. Denn die Zeit des Sturmbeginns rückt immer näher. Schnelles Handeln ist nötig, um den Anschluss an den vorgehenden Nachbarn nicht zu verlieren.

Hauptmann Settmaier setzt daher die 12. Kompanie unter seiner Führung frontal ein, während die 11. Kompanie von links flankierend eingreifen soll. Kaum aber haben die ersten Gruppen den Graben verlassen, als ihnen ein wahres Höllenfeuer entgegenschlägt.

Mit dem Degen in der Hand springt Vizefeldwebel Klug von der 11. Kompanie seinem Zuge weit voraus. Als er sich nach einer Atempause zum letzten Vorstoß gegen das Franzosennest anschickt und zum Sprung aufrichtet, sinkt er in die Stirn getroffen lautlos zu Boden. Mächtig setzt sich der Feind zur Wehr. Ungeschwächt empfängt er die Unsrigen mit einer Anzahl von Handgranaten. Bis auf 20 und 30 Meter gelangen die Vorwärtsstürmenden an das Franzosennest heran. Die Verluste mehren sich bedenklich. Besonders fegt französisches Maschinengewehr-Feuer vom Schratzmännle her in die Reihen der Angreifer, die jetzt dicht vor ihrem Ziel liegen.

Es macht den letzten entscheidenden Stoß unmöglich. Ein Verbleiben in dieser Lage ist zwecklos. Nur der Ersatz-Reservist Starke von der 12. Kompanie bleibt in opferbereiter Soldatentreue 15 Meter vor dem feindlichen Drahtverhau bei einem Schwerverwundeten in einem Granatloch liegen, schneidet seinen Mantel in Streifen und bindet seinem verblutenden Kameraden das Bein ab. Später bringt er den so geretteten wohlbehalten in den deutschen Graben zurück.

An anderer Stelle stürmen unsere braven Leute noch weiter und gelangen bis in die feindlichen Gräben. Sie haben mörderische Verluste. Während rechts beim I. und II. Bataillon die Höhenstellung des Feindes gänzlich von Artillerie und Minen zertrümmert waren, ist hier am linken Flügel das stark ausgebaute Franzosennest noch vollständig intakt. Unsere Artillerie hat unter den Kompanien des III. Bataillons fast noch stärker aufgeräumt als oben in dem Felsennest beim Franzmann. Von allen Seiten tacken Gewehre und Maschinengewehre hinter unbeschädigten Grabenwehren und speien ihre todbringenden Geschosse über unsere hinter Felsstücken geduckten Köpfe. Trotzdem kommen einzelne Gruppen Schritt für Schritt, Sprung für Sprung näher heran. Sie wollen doch hinter den Kameraden von rechts nicht zurückstehen. Ein maßloser Ehrgeiz beseelt sie, es den anderen gleich zu tun. Sie wissen nur nicht, dass sie unter bedeutend schwereren Verhältnissen kämpfen.

Jetzt gelingt es dem Reservisten Spör von der 10. Kompanie zusammen mit 2 Kameraden in den feindlichen Graben zu springen. Da steht in nächster Nähe ein feuerndes Maschinengewehr. Wie die Löwen stürzen sie auf die Besatzung, entreißen ihr die furchtbare Waffe. Mit ihnen sind noch andere durch den Kugelregen nach oben gekommen. Schnell versuchen sie sich einzurichten. Aber es ist unmöglich. Sie erhalten vom nahen Schratzmännle aus, der einige Meter höher liegt, ein derartig heftiges Flankenfeuer, dass sie sich nicht halten können. Ganz wenigen nur glückt es, unseren Graben wieder zu erreichen. Darunter auch der Reservist Spör, der allein seine kostbare Beute, das französische Maschinengewehr zurückschleppt.

Wenn der Sturmkolonne Settmaier auch kein greifbarer Erfolg beschieden ist: sie hat sich unter den ungünstigsten Bedingungen heldenhaft geschlagen. Ihre Leistungen sind vollkommen ebenbürtig. Trotz schwerer Verluste versucht sie noch am gleichen Tage, 8.30 Uhr abends mit Unterstützung der 5. Kompanie des bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments 2 einen neuen Sturm auf das Franzosennest. Aber auch dieser scheitert an der Wachsamkeit und zähen Gegenwehr der Alpenjäger. Ohne Zerstörung der feindlichen Blockhäuser muss jedes Anrennen gegen diese kleine Bergfestung zerschellen.

Inzwischen ist auch schon die Nacht hereingebrochen. Das Getöse in den Bergen verhallt. Nur ab und zu platzten dumpf ein paar Handgranaten. Vereinzelte Gewehrschüsse durchschneiden scharf die nächtliche Stille. So bleibt es bis zum frühen Morgen.

Unterdessen wird fieberhaft daran gearbeitet, die eroberten Gräben zur Verteidigung herzurichten und zu verstärken. Sandsäcke werden gefüllt und aufgetürmt, Handgranaten, Stacheldraht, Schutzschilder, Munition nach oben geschleppt. Denn wir rechnen damit, dass der Franzmann alles versuchen wird, die beherrschende Höhe zurückzugewinnen.

Wieder andere gehen einer Beschäftigung nach, die viel trauriger stimmt. In langen Zügen sieht man die Sanitäter talwärts ziehen. Auf Bahren und in Zeltbahnen schleppen sie mühsam die Schwerverwundeten und toten Kameraden den Berg hinab. Unsere Regimentsmusiker helfen dabei tapfer mit, wie sie uns auch Essen und Munition auf die Höhe heraufgebracht haben.

Was sind das hier für Unterstände? Matter Kerzenschimmer dringt heraus. Es ist ein fortwährendes Kommen und Gehen. Die schwankenden Lasten der Krankenträger verschwinden in den schmalen Eingängen. Leer kommen die Leute mit der Roten Kreuzbinde wieder zurück, oder aber sie stützen einen Kameraden, dessen weißer Verband gespenstisch durch die Dunkelheit leuchtet.

Das sind die Verbandstellen des Regiments. In ihnen sehen wir unsere Ärzte Dr. Willms, Dr. Eichwald, Dr. Grenacher und Dr. Cordua mit aufgekrempelten Hemdärmeln und blutigen Kitteln hantieren. Sie leisten die erste Hilfe, geben Tetanusspritzen, verbinden, lindern, sprechen gut zu. Unaufhörlich kommen sie hereingetragen oder herangehumpelt; jeder verlässt erleichtert, gestärkt und aufgemunutert den von frischem Blut geschwängerten Raum. Der Abtransport ist gut organisiert. Sie brauchen nicht lange zu warten, die Verwundeten, dann geht ein neuer Schub nach rückwärts, Wagen nehmen sie auf und bringen sie in saubere Lazarette, wo ein weißes Bett, eine liebevolle Pflege ihrer wartet.“

Man begrub Heinrich Brückweh auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 76.

Das Grab von Heinrich Brückweh auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 180: Martin Lettenbichler

Der Soldat Martin Lettenbichler stammte aus Eyrain, einem Ortsteil der bayerischen Gemeinde Irschenberg. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 8. Kompanie des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 03.08.1915 verstarb er im Lazarett Drei Ähren (französisch: Trois-Épis), nachdem er im Kampf zuvor während der Vogesenkämpfe am Lingekopf nördlich der Stadt Münster (französisch: Munster, elsässisch: Menschter) schwer verwundet worden war.

Über den Zeitraum der schweren Verwundung von Martin Lettenbichler berichtet die Regimentsgeschichte des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments:

„Am 1. August nachts 3 Uhr setzte außerordentlich starkes feindliches Artilleriefeuer ein, das abermals einen neuen Angriff des Feindes erwarten ließ. II./1 wurde wieder alarmiert und rückte nach 855 vor; abends wurden 6. und 8. Kompanie bei starkem feindlichen Artilleriefeuer nach Bärenstall vorgezogen. Sie legten den Weg in Gruppensprüngen zurück, erlitten aber schon hier Verluste. Am späten abend griffen die Franzosen auch wirklich an und es gelang ihnen auch am Schratzmännele in unseren Graben (am Steinbruch) einzudringen. Aus einem Teil wurden sie durch die sofort nach Ankunft eingesetzten zwei Züge der 6. und 8. Kompanie wieder hinausgeworfen.

Um Mitternacht erhielt der Führer der 8. Kompanie vom Abschnittskommandeur (I./92) den Befehl, mit seinen beiden noch nicht eingesetzten Zügen, gemeinsam mit 3./92 den Feind aus dem noch besetzten Zügen, gemeinsam mit 3./92 den Feind aus dem noch besetzten Grabenteil vor dem Steinbruch hinauszuwerfen. Nach eingehender Erkundung wurde der Sturm um 3.50 Uhr vormittags angesetzt. Zug Pfannenschmidt kroch an den Feind heran, war um 3.40 Uhr auf nächste Entfernung an ihn gekommen und ging auf das Hurra des Führers im Sturm gegen den Graben vor. Dadurch wurde das ganze feindliche Feuer auf diesen Zug gelenkt und konnte infolgedessen Leutnant Hetzel mit seinem Zug und etwa 40 Leute der 6. Kompanie den Feind in der linken Flanke fassen. Dieser, so von zwei Seiten angepackt, geriet ins Wanken und flüchtete, auch die Truppen der Mitte und seines rechten Flügels mitreißend. Durch das Verfolgungsfeuer erlitt er noch schwere Verluste. Um 4 Uhr morgens war der ganze Graben, in dem die Franzosen eine Menge Waffen, Munition und Schanzzeug zurückließen, im Besitz der 6. und 8. Kompanie. Leider war der Erfolg teuer erkauft: das Regiment verlor bei diesem Sturm einen seiner besten Offiziere. Leutnant Pfannenschmidt fiel an der Spitze seines Zuges. Außerdem wurden Oberleutnant Keil und Leutnant Strohmeier verwundet.

Am 3. August wurden II./1 durch Infanterie-Regiment 74 abgelöst und rückte nach Drei Ähren in Ortsunterkunft.“

Man begrub Martin Lettenbichler auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 81.

Das Grab von Martin Lettenbichler auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Sonderbeitrag: Heinrich Schweitzer

Der Soldat Heinrich Schweitzer wurde am 12.08.1886 in der hessischen Stadt Hadamar geboren und war von Beruf Gerichtsassessor. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Reserve und Kompanie-Offizier in der 5. Kompanie des 117. Infanterie-Leib-Regiments. Am 22.08.1914 fiel er im Alter von 28 Jahren bei Maissin in Belgien, einem Ortsteil der Gemeinde Pailiseul.

Über den Todestag und die Todesumstände von Heinrich Schweitzer berichtet die Regimentsgeschichte des 117. Infanterie-Leibregiments:

„Am Vormittag des 22. August war auf dem linken Flügel der 4. Armee das VI. Armee-Korps auf starken Feind (französische Kolonialkorps) getoßen. Das rechts (nördlich) daran anschließende XVIII. Reserve-Korps sollte mit Teilen der 21. Reserve-Division zur Unterstützung des VI. Armee-Korps nach Süden abbiegen. Es stellte sich indessen bald heraus, dass ein Abbiegen angesichts des auch dieser Division gegenüber entfalteten Gegners für die 21. Reserve-Division nicht mehr in Frage kam, vielmehr auch die rückwärts befindliche 25. Reserve-Division links anschließend an die 21. Reserve-Division gegen den starken Feind entfaltet werden musste. Das XVIII. Reserve-Korps lag also im Kampf beiderseits Neufchâteau starkem Feind gegenüber. Auch bei dem rechten Nachbar des XVIII. Reserve-Korps, dem aktiven XVIII. Armee-Korps, war es schon im Laufe des Vormittags ostwärts Maisson am rechten Flügel der 25. Reserve-Division bei der 50 . Infanterie-Brigade zu leichter Gefechtsberührung mit dem Feinde gekommen, da diese unsere Brigade der erhöhten Sciherheit wegen ihre bei Villance befohlene Bereitstellung nach den Höhen bei Maissin vorverlegen wollte. Nachdem 12.30 Uhr nachmittags, vornehmlich durch Fliegeraufklärung, zahlreiche Kolonnen im Marsch vom Semoistal nach Norden in Richtung auf und über Ossagne-Betrix erkannt waren, hielt der Kommandeirende General von Schenk den um 10.30 Uhr vormittags vom Armee-Ober-Kommando 4 befohlenen Linksabmarsch nicht mehr für angezeigt und befahl der 25. Infanterie-Division das Vorgehen über Anloy auf Jehonville, der 21. Infanterie-Division von Recogne auf bertix. Dieser Auffassung stimmte später auch das Armee-Ober-Kommando 4 zu.

Inzwischen hatten die Ereignisse den befehlen vorgegeriffen. Die 25. Infanterie-Division war noch vor Eingang des Korpsbefehls zum Abmarsch auf Jehonville beiderseits Maissin auf so starken Widerstand gestoßen, dass der Divisionskommandeur, Generalmajor Kühne, seine nächste Aufgabe darin sah, sich zuerst in den Besitz der Höhen südlich Maissin zu setzen. Dieser Angriff traf auf weit überlegene Kräfte des Feindes und führte zu schweren und verlustreichen Kämpfen. Auch die 21. Infanterie-Division sah sich außerstand, den Linksabmarsch auf bertrix ohne weiteres auszuführen, da auch sie auf starken gegner gestoßen war.

Unser Regiment erhielt um 5 Uhr vormittags in Glaireuse folgenden Brigadebefehl: „Infanterie-Regiment 117 steht um 8.30 Uhr vormittags am Straßenkreuz, etwa 1 Kilometer südostwärts Villance, Anfang an diesem Straßenkreuz, gedeckt nach Westen und Südwesten, Front nach Maissin. 8.30 Uhr vormittags Befehlsempfänger Osteingang Glaireuse (Divisions-Stab). Infanterie-Regiment 117 schickt Sicherung nach Anloy und lässt sämtliche aus Linie Villance-Glaireuse nach Westen und Südwesten durch den Wald führenden Wege erkunden.“

Auf Grund dieses Befehls brach das Regiment um 7.45 Uhr vormittags von Glaireuse auf (Reihenfolge II., III., I., Maschinengewehr-Kompanie). Die 2. Kompanie (Hauptmann Trupp) marschierte nach Anloy, um von dort aus die Wegeerkundung entsprechend dem Brigadebefehl vorzunehmen und die Bereitstellung zu sichern. Von 8.10 Uhr vormittags ab stand das Regiment in der befohlenen Bereitstellung, die jedoch 8.40 Uhr vormittags auf einen neuen Brigadebefehl hin abgeändert wurde: I. Bataillon(Major Hamscher) wurde an die Wegespinne, 1 Kilometer ostwärts Villance, II. Bataillon (Oberstleutnant Weiz) an den Westrand des unmittelbar südwestlich der Wegespinne gelegenen Wäldchens gezogen, während vom III. Bataillon (Major Thümmel) zwei Kompanien 9. (Hauptmann Heimann) und 11. (Hauptmann Wichert hart südlich des Waldstücks standen, die 12. (Hauptmann Henke) bis auf die Höhe 415 südostwärts Villance und schließlich die 10. (Hauptmann Ewald) auf die Höhe 415 südlich Villance (am Nordrand des Figeohay-Waldes) vorgezogen wurden. Die Maschinengewehr-Kompanie stellte sich im Walde südlich der Wegespinne auf. Das I. Bataillon, dessen 2. Kompanie inzwischen wieder von Anloy zurückgekommen war, stand zur Verfügung der Brigade. In dieser Aufstellung verbrachte das Regiment den Vormittag. Mehrfach trafen Meldungen über den Gegner ein, der anscheinend mit stärkerer Kavallerie die Waldungen beiderseits Maissin, sowie dieses Dorf selbst besetzt hatte. Gegen 12.30 Uhr nachmittags wurde auch gemeldet, dass feindliche Kolonnen von Jehonville auf Maissin marschierten. Die eigene Artillerie schoss seit etwa 9 Uhr vormittags auf Ziele in Gegend Maissin.

Infanterie-Regiment 118 war im Vorgehen gegen Maissin gegen 11 Uhr vormittags auf starke Feindkräfte gestoßen. Etwa um 12.30 Uhr nachmittags erhielt unser Regimentskommandeur, Oberst von Tiedemann, den Brigadebefehl, den Angriff des Infanterie-Regiments 118 auf Maissin mit dem II. und III. Bataillon zu unterstützen und hierzu links vom Infanterie-Regiment 118 vorzugehen. Beide Bataillone traten sofort an, die Maschinengewehr-Kompanie folgte zunächst dem III. Bataillon. Auf den Höhen südlich Villance und in dem Gehölz Figeohay erfolgte die Entfaltung: Das II. Bataillon nahm die 5. (Hauptmann W. Wichert) und 8. (Hauptmann von Bonin), das III. die 10 und 12. Kompanie in vorderer Linie, während 6. (Oberleutnant Oertel) und 7. (Hauptmann Haack) bzw. 11. und 9. als Reserve folgten. Der 9. Kompanie wurde insbesondere die Sicherung der linken Flanke befohlen. Das Durchschreiten durch den mit dichtem Unterholz bestandenen Wald war recht schwierig und mühsam, doch war gegen 1 Uhr nachmittags der Westrand erreicht. Vom Walde Burnonbois schlug schwaches feindliches Feuer herüber; die Beobachtung ergab, dass die Mühle nördlich des Burnonbois vom Gegner besetzt war und dass zwischen ihr und dem Wald reger Verkehr stattfand, der von der 10. Kompanie und einem vorgezogenen Artilleriezug unter Feuer genommen wurde. II. und III. Bataillon gingen nunmehr zum Angriff vor, das II. Bataillon über die erwähnte Mühle hinweg gegen das Dorf Maissin und südlich, das III. Bataillon mit der Maschinengewehr-Kompanie gegen das Waldstück Burnonbois. Das II. Bataillon erreichte die erwähnte Mühle und den Leffe-Bach ohne wesentliche Kämpfe; es gewann dort Anschluss an Teile des I./118, die als linke Seitendeckung an der Leffe zurückgeblieben und mit dem Feind in Burnonbois ins Gefecht getreten war. Bei Fortsetzung des Angriffs nach Westen hin geriet das Bataillon jedoch sehr bald in starkes Infanterie- und Maschinengewehr-Feuer, welches dazu zwang, zunächst liegen zu bleiben. Nur allmählich und mit ziemlichen Verlusten gelang es, im weiteren Verlauf des Nachmittags in Richtung Maissin und südlich dieses Dorfes Boden zu gewinnen. Besonders die 5. Kompanie hatte dabei starke Ausfälle und verlor sämtliche Offiziere. Etwas günstiger traf es die 8. Kompanie, die ohne erhebliche Verluste bis an den Dorfrand von Maissin herankam, in das bereits gegen 1.30 Uhr nachmittags Infanterie-Regiment 118 eingedrungen war. Unmittelbar südlich des Dorfes befand sich aber noch starker Feind. Auf Befehl des Kommandeurs Infanterie-Regiment 118 wurde ein Zug der 8. Kompanie nördlich Maissin zur Verstärkung des dort schwer bedrängten III./118 eingesetzt.“

Man begrub Heinrich Schweitzer auf dem Soldatenfriedhof Maissin-National in Grab 301.

In Hadamar gedenkt man Heinrich Schweitzer noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2022/hademar_lk-limburg-weilburg_wk1_hs.html

Das Grab auf dem Alten Friedhof in Hadamar mit der Gedenkinschrift für Heinrich Schweitzer
Die Gedenkinschrift für Heinrich Schweitzer

Sonderbeitrag: Gustav Hartmann

Der Soldat Gustav Hartmann wurde am 13.10.1885 in der niedersächsischen Gemeinde Wollershausen geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Leutnant der Reserve in der 3. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 15.06.1915 fiel er im Alter von 29 Jahren während der Kämpfe in den Vogesen bei Breitenbach (französisch: Breitenbach-Haut-Rhin) im Münstertal.

Über den Todestag und die Todesumstände von Leutnant Gustav Hartmann berichtet die Regimentsgeschichte des 74. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Der Angriff auf Metzeral

15. bis 21. Juni 1915

In dieser Nacht gibt es in Nachbarabschnitten französische Überläufer. Sie erzählen davon, dass für den 15. Juni ein Angriff geplant sei. Sogar die Stunde geben sie an. Wenn das stimmt, so kann das ja ein heiterer Tag werden.

Am frühen Morgen ist noch alles ruhig. Auf beiden Seiten. Dann fängt unsere Artillerie an. Sie hat sich für heute viel vorgenommen. Gegen 7 Uhr saust der erste schwere Brocken zum Franzmann hinüber. Krachend fährt er ins Gelände und wirft Steine, Sand und Eisenstücke bis in unsere Stellung. Wir natürlich alle Mann an die Schulterwehr. Gespannt beobachten wir. Wenn einer richtig „sitzt“, dann gibt es lebhaften Beifall. Sonst heißt es mit Bedauern „Zu weit“ oder „schade zu kurz“. Gegen 12 Uhr halten unsere Geschütze ein. Es ist eine Feuerpause bis 2 Uhr vorgesehen.

Auf der Gegenseite bleibt noch alles ruhig.

Schon wollen wir uns ein wenig im Graben langmachen, da kommt die Meldung, dass sich die Franzosen hinter unserer alten Feldwache zum Sturm aufstellen. Wir packen die Knarre, stellen uns an die Schießscharten und warten der Dinge, die da kommen sollen. Noch aber rührt sich nichts.

Um 2 Uhr beginnen unsere Batterien ein vorher festgelegtes Wirkungsschuießen. Nun fängt aber auch der Franzmann an. Mit allen Kalibern! Aus der festung Epinal schickt er 25-cm Granaten herüber! Wir kennen sie an dem hohlen Sausen. Wums! Die Erde zittert. Hoch in die Lüfte schlägt ein Fichtenstamm Purzelbäume. Ein Sprühregen von Erde und Steinen prasselt auf uns nieder. Jetzt eine Mine. Achtung, Köpfe weg! Rums! Kurz hinter uns hat sie eingehauen. Eine schwefelgelbe Wolke zieht über uns weg. Wir husten, halten den Atem an. Und äugen! Ritsch bum! So ein gemeiner Ratscher witscht haarscharf über den Graben. Noch dazu aus der Flanke. Diese Biester!

Bald entsteht ein solcher Höllenlärm, dass wir unser eigenes Wort nicht verstehen. Bäume splittern, Felsen werden in Atome zertrümmert, alles kracht und birst um uns her. Für Augenblicke ducken wir den Kopf, im nächsten haben wir ihn schon wieder an der Schießscharte. Links von uns ein Volltreffer. Markerschütternde Schreie. Aber wir dürfen nicht weg, dürfen die Augen nicht abwenden von da drüben.

Wie lange schon dauert die Hölle? Die Sonne steht schon im Westen. Also muss es spät am Nachmittag sein. Wir haben keine Zeit, auf die Uhren zu sehen. Es ist ja auch so gleichgültig.

Und seltsam. Je länger das Toben dauert, je wüster es wird, desto kälter wird unser Blut. Zu ändern ist ja doch nichts dran. Einmal hört es auf! Ob wird erleben, ist eine zweite Frage. Aber wenn wirs erleben, dann sollen sie uns auch da finden, wo wir hingehören. Sie sollen es sich nicht zu leicht vorstellen!

Neben uns die 3. Kompanie. Fast alle Leute liegen in Deckung. Nur ihr Führer Leutnant Hartmann steht mit dem Gewehr in der Hand an der Schießscharte und beobachtet. Da sieht er, dass sich drüben etwas bewegt. „An die Gewehre!“ Scharf dringt sein Ruf durch den Graben, seine Leute springen heraus. Im nächsten Augenblick bemerkt er eine heranfliegende Mine. Er ruft noch seinen Leuten zu: „Achtung, Mine!“ Aber schon ist es zu spät. 6 Mann, darunter der tapfere Ersatz-Reservist Lüsse tot. Leutnant Hartmann selbst schwer verwundet. Sein Bursch Schneider schleppt ihn sofort in einen Unterstand und will ihn verbinden. „Ach, Schneider, nicht verbinden, ich sterbe ja sowieso gleich. Schreiben Sie nicht an meine Frau, nur an meine Eltern!“ Das sind seine letzten Worte. Ein hevorragend tapferer Offizier geht mit ihm hinüber!

Gegen 4 Uhr ist der Höhepunkt. Toller kann es nicht gut werden. Da! Gewehrfreuer! Jetzt muss der Angriff kommen! Fest umklammern wir den Gewehrschaft. Er mag nur kommen!

Hallo! Dort! Seht ihr sie? Die ersten steigen aus den Gräben! Von da, von dort, aus dem Walde kommen sie vor! Das aufgepflanzte Bajonett, dieses scheußlich lange, spitze Ding funkelt in der Sonne! Heranspaziert, meine Herrschaften! Ihr sollt die Nase schon vollkriegen! Ruhig nehmen wir sie aufs Korn. Peng! Hundertfach blitzt es azs unseren Gräben. Jeder Schuss sitzt, ist mit Bedacht abgegeben.

Besonders schneidig benimmt sich der tapfere Gewehrführer vom Maschinengewehr Braunkopf rechts. Drei Angriffswellen der Alpenjäger werden hauptsächlich durch ihn niedergemäht. Da durchbort eine Kugel seine Brust. Er führt sein Gewehr weiter. Bis ihn eine andere noch den Arm zerschmettert.

Jetzt setzt auch unsere Artillerie ein. Granaten und Schrappnells hageln nur so über und zwischen die ankommenden Wellen. Der Röspelwald und die hinteren Gräben sind wie von einer Mauer aus Eisen und Feuer abgeriegelt. Da kommt kein Schwein durch!

Der Franzmann stockt. Da und dort sieht man Wellen zurückfluten. Sofort werden sie von unseren Maschinengewehren gefasst. Von Fels zu Fels zurückkriechend, strebt er seine Ausgangsstellung zu erreichen. Mancher von ihnen bleibt unterwegs liegen.

Das Feuer ebbt ab. Der Abend wirft seinen Schatten ins Tal. Jetzt erst haben wir Zeit uns umzusehen. Wie ist es der Kompanie, wie dem Regiment ergangen?

Unseren rechten Flügel haben die Franzosen in Frieden gelassen. Der Angriff galt nur den Abschnitten Schimmelmann und Bowien, und dieser Angriff ist auf der ganzen Front zusammengebrochen. Er hat den Franzosen schwere Verluste gekostet.

Nur zwischen 1. und 2. Kompanie ist es ihm gelungen, einen Keil in unsere Stellung zu treiben. Hier waren die Gräben vollkommen eingeebnet, die Besatzung tot oder verschüttet. Sofort setzen die Unsern zum Gegenstoß an. In raschen Sprüngen arbeiten sie sich vor. Schon haben sie unsere alte Linie erreicht. Der Franzmann setzt sich zur Wehr, andere fangen an zu tütmen.

Da haut ein Volltreffer der eigenen 21 er-Mörser mitten zwischen unsere Leute. Der tapfere Führer der 3. Kompanie, Leutnant Groeger, sinkt tödlich getroffen zu Boden. Seine besten Leute, die dicht bei ihm kämpfen, werden von der gleichen Granate hinweggerafft. Der kleine, führerlose Rest weicht mit schweren Verlusten zurück. Lähmende Trauer legt sich auf alle, als wir diese Hiobsbotschaft hören.“

Seite 187

Man begrub Gustav Hertmann auf dem Soldatenfriedhof Breitenbach in Block 7 Grab 135.

Leutnant Gustav Hartmann von der 3. Kompanie des 74. Reserve-Infanterie-Regiments in seinem Unterstand bei Münster kurz vor seinem Tod

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 164: Max Frommknecht

Der Soldat Max Frommknecht wurde am 17.03.1886 in der bayerischen Gemeinde Wertach geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Wehrmann in der 10. Kompanie des 3. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 01.09.1914 fiel er im Alter von 28 Jahren während der Vogesenkämpfe in Frankreich. Er wurde bei Drei Ähren (französisch: Trois-Épis)
getötet.

Über den Todestag und die Todesumstände von Max Frommknecht berichtet die Regimentsgeschichte des 3. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment:

„Der Franzose, der nach seiner Schlappe, die er sich durch die 1. Landwehr-Brigade bei Ingersheim geholt hatte, weit über Drei Ähren zurückgegangen war, bekam am 31.08. wieder Mut zum Vorwärtsfühlen. Jedoch am 01.09. wurde es ernst.

Um 3 Uhr nachmittags trat eine veränderte Kräfteaufstellung ein. Das Regiment wurde durch das 1. bayerische Landwehr-Regiment abgelöst und hatte sich sofort im Brigadeverband nach Ammerschweier in Marsch zu setzen. Im Schloss Kienzheim, dem späteren Divisionssitz, fand Befehlsausgabe statt. Demnach sollte am 02.09. ein großer Schlag geführt werden: Die Franzosen sind bei La Capelle zu deutsch Zell festgestellt; sie werden umfassend angegriffen. L1 greift ihre rechte Flanke von Drei Ähren aus an, L. 12 geht durchs Kayserbergtal vor und umfasst die linke Flanke, L. 3 gewinnt den Gratberg und stößt von dort aus gegen Zell hinab. L. 3 blieb aus diesem Befehl heraus in Ammerschweier in Ortsunterkunft und schickte zur Sicherung gegen Zell I./L. 3 nach Bruderhaus.

Über den Gefechtszustand der letzten Wochen ist nur zu sagen, dass er ganz ausgezeichnet war. Heftige Darmerkrankungen beim I. Bataillon auf der Letzenburg stehen im ursächlichen Zusammenhang mit der Angriffsentwicklung am 28.09. gegen Katzenthal: hier war das Bataillon verdammt, zwei Stunden lang entwickelt in einem Weinberg zu liegen, dessen Trauben noch nicht reif waren.“

Man begrub Max Frommknecht auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 111.

In seiner Heimatgemeinde Wertach gedenkt man Max Frommknecht noch heute auf einem Denkmal: http://www.denkmalprojekt.org/2020/wertach_lk-oberallgaeu_wk1_wk2_by.html

Das Grab von Max Frommknecht auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 155: Ludwig Cierlak

Der Soldat Ludwig Cierlak stammte aus Mechnitz (seit 1945 polnisch: Mechnica), einem Ortsteil der Gemeinde Kempen (seit 1945 polnisch: Gmina Kępno). Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in der 2. Radfahrer-Kompanie des Garde-Jäger-Bataillons. Am 10.11.1915 fiel er während der Vogesenkämpfe in Frankreich.

Über den Todestag und die Todesumstände von Ludwig Cierlak berichtet die Regimentsgeschichte des Garde-Jäger-Regiments:

„Am 10. um 5 Uhr nachmittags erfolgte bei der 2. Radfahrer-Kompanie infolge Unvorsichtigkeit bei der Ausgabe von Handgranaten in einem großen Stollen am Bärenstall eine heftige Detonation von 5.000 Handgranaten und 50.000 S-Munition. Sieben in dem Stollen arbeitende Jäger wurden verschüttet und konnten nicht geborgen werden, 4 weitere waren auf der Stelle tot, 4 wurden verwundet, desgleichen trug der Kompanieführer, Oberleutnant der Reserve König, eine Verletzung davon. Die Detonation war so gewaltig, dass an der Stelle, wo der Stollen gewesen war, ein riesiger Trichter entstand, über den eine Brücke gebaut werden musste. Später errichtete das Bataillon an dieser Stelle einen Gedenkstein für die durch das traurige Unglück umgekommenen Jäger.“

Man begrub Ludwig Cierlak auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 91.

Das Grab von Ludwig Cierlak auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 153: Martin Meyr

Der Soldat Martin Meyr (Regimentsgeschichte: Mayr) stammte aus der bayerischen Stadt  Fürstenfeldbruck. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Landsturmmann in der 2. Kompanie des 1. bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiments. Am 04.04.1916 fiel er während der Vogesenkämpfe in Frankreich. Er wurde am Schratzmännele nördlich Münster getötet.

Man begrub Martin Meyr auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr in Grab 95.

Das Grab von Martin Meyr auf dem Soldatenfriedhof Ammerschwihr

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 101: Heinrich Gander

Der Soldat Heinrich Gander wurde am 22.04.1891 in Hofstätten geboren, einem Ortsteil der Gemeinde Wilgartswiesen im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Musketier in der 11. Kompanie des 18. bayerischen Infanterie-Regiments. Er wurde am 30.10.1914 während der Schlacht bei Ypern bei einem Angriff auf die belgische Ortschaft Hollebeke schwer verwundet. Zwei Wochen später, am 13.11.1914, verstarb er im Alter von 23 Jahren in einem Lazarett in der hessischen Stadt Butzbach an seiner Verwundung.

Der Ort der schweren Verwundung von Heinrich Gander:

Über den Tag und die Umstände der schweren Verwundung von Heinrich Gander berichtet die Regimentsgeschichte des 18. bayerischen Infanterie-Regiments:

„30.10.1914 Angriff auf Hollebeke

Dichter Nebel lag am 30.10. über Flandern, als schon 7.30 Uhr vormittags Artillerie mit dem Einschießen auf die feindlichen Stellungen begann.Aber infolge des unsichtigen Wetters war das Einschießen erst gegen 9.30 Uhr vormittags beendet und gegen 10 Uhr ging die Infanterie zum Angriff vor. Schon 5 Uhr vormittags war die Hälfte des I./18 (1. und 4. Kompanie) hinter dem linken Flügel des III. Bataillons bereitgestellt worden., das über Nacht in Schützenlöchern 1 Kilometer südöstlich Caleute nach Ablösung der dortigen Heereskavalerie auf nahe Entfernung den feindlichen Schützen gegenüber lag. Der Rest des I. Bataillons verblieb zunächst hinter dem linken Flügel. Beide Bataillone warteten dann, bis das Zeichen zum Angriff gegeben wurde. Das III. Bataillon rechts, das I. links, brachen die Schützen etwa 10 Uhr vormittags gegen die feindlichen Stellungen vor, das III. Bataillon mit rechtem Flügel längst des von Partyntje-Ferme nach Norden führenden Weges – Calvaire, östlich Groenelinde Südwestecke des Schlossparkes von Hollebeke, linker Flügel Straße Garde Dieu – Caleute. Heftiges Artilleriefeuer empfing sie, aber dennoch gelang es mit den vordersten Teilen bis 11 Uhr vormittags das Valeutecabt. zu erreichen. Hier aber stockte zunächst der Angriff. Gegen Mittag fuhren war zwei Züge des 5. Feldartillerie-Regiments zur unmittelbaren Unterstützung der Infanterie vor, aber dennoch blieb zunächst der Angriff stecken, weil die feindlichen Maschinengewehre, gut eingenistet in den zahllosen Hecken und Büschen, auch vom Artilleriefeuer nicht sofort gefasst werden konnten. Dazu kam, dass nach der linken Angriffsgruppe (26. Infanterie-Division), infolge einer unbeabsichtigten Verschiebung der Angriffsziele der Anschluss verpasst wurde, so dass das I. Bataillon mit seinem linken Flügel in der Luft hing.

In dieser Lage kam das II. Bataillon zum Einsatz. Es war in der Nacht in Alarmquartieren in Houthem untergebracht, kam kurz nach Eröffnung des Artilleriekampfes am frühen Morgen in der Ortschaft selbst in schweres Artilleriefeuer und rückte zunächst an den Westausgang von Houthem und dann bis zur Kapelle 1 Kilometer nordwestlich davon vor. Hier gab der Brigadekommandeur Generalmajor Clauß an Hauptmann Ritter den befehl, mit dem halben II. Bataillon am linken Flügel der vorderen Gefechtslinie einzugreifen und den Angriff nach vorwärts zu reißen. Nach einem  Seitenmarsche von etwa 500 Metern nach links über ebenes Gelände wurde dann nach vorwärts eingeschwenkt und mit der 6. und 7. Kompanie in die Kompanien des I. Bataillons eingeschoben. Aber auch der Einsatz frischer Kräfte genügte nicht, um die Gefechtslinie vorzureißen. Erst nachdem ein Bataillon und die Maschinengewehr-Kompanie 22. Infanterie-Regiment sowie zwei Artilleriezüge eingesetzt worden waren, erkämpfte sich die Truppe nach vorwärts Raum und erreichte am Abend mit rechtem Flügel Calvaire und mit linkem Flügel Groenelinde. Der Kampf war außerordentlich verlustreich gewesen: 5 Meter vor einem in eine Hecke eingebauten englischen Maschinengewehr lag die Leiche des Majors Kopp (Major Julius Kopp, gefallen am 30.10.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Menen in Block G, Grab 706), der freiwillig als 60jähriger Mann in das Feld gerückt war und nun wenige Tage nach seinem Eintreffen dortselbst den Heldentod gefunden, daneben Oberleutnant Munzert und Oberleutnant Lauerer. Verwundet wurden Oberleutnant Hoffa und die Leutnants der Reserve Braun und Kolbatz. Die Führung des II. Bataillons übernahm Hauptmann Höpfner.

Während so das 18. Regiment am linken Flügel der Division vorging und einen schönen Erfolg mit großer Tapferkeit erringen konnte, gelang es den rechten Nachbarn, dem 17. Infanterie-Regiment und Teilen des 22. Infanterie-Regiments den Schlosspark von Hollebeke in Besitz zu nehmen. Gegen 6 Uhr nachmittags war auch das Dorf Hollebeke in ihrer Hand und vom Feinde gesäubert. Beim Gegner waren englische Kavallerie und Artillerie auch etwas englische Infanterie und indische Truppen, es war kein starker aber ein zäher Feind, dem die Vorzüge des Geländes für die Verteidigung sehr zu statten kamen und der zudem in der Nähe von Groenelinde einige tiefe Schützengräben angelegt hatte. Die Brigade hatte einen Ruhmestag erlebt und General Clauß, der Kommandeur, wurde für sein umsichtiges und tapferes Verhalten und für den Erfolg, den seine Infanteriebrigade an diesem Tage erstritten, mit dem Max-Joseph-Orden ausgezeichnet. Dunst und Regen vermehrte am Abend die Dunkelheit, die nur von den brennenden Gehöften und Ortschaften erhellt wurde. Überall in Büschen und Hecken klagten Verwundete und lagen gefallene Helden. Totes Vieh lag umher, verwüstet waren die Höfe, niedergerissen die Zäune; schmutziger, vom Regen durchgeweichter Ackerboden dampfte von den Kämpfen des schweren Tages. Nach Einbruch der Dunkelheit waren die Truppen vollkommen zerstreut, die Mannschaften zum Tode ermüdet und erschöpft. Hauptmann Höpfner und Hauptmann Ritter machten sich auf den Weg, um während der Nacht die versprengten Teile zusammenzusuchen; – aber umsonst: die Achtzehner waren mit den übrigen Teilen der Brigade derart vermischt und über das Gelände zerstreut, dass man den Versuch, sie zu sammeln, aufgeben musste.“

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Seite 63

Man begrub Heinrich Gander auf dem Friedhof Butzbach in Abteilung E, Grab 2.

Das Grab von Heinrich Gander auf dem städtischen Friedhof von Butzbach

Soldatenschicksale des 1. Weltkrieges Teil 78: Heinrich Frischholz

Der Soldat Heinrich Frischholz stammte aus der hessischen Ortschaft Albach, einem Ortsteil der Gemeinde Fernwald, geboren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er Unteroffizier in der 4. Kompanie des 83. Reserve-Infanterie-Regiments. Am 25.07.1915 fiel er im Alter von 47 Jahren bei Cholm (polnisch: Chełm), welches damals russisch war. Er wurde während der Schlacht bei Woyslawice getötet.

Über den Todestag und die Todesumstände von Heinrich Frischholz berichtet die Regimentsgeschichte des 83. Reserve-Infanterie-Regiments:

„Bereits am 24.07. von 5.45 Uhr nachmittags ab lag die Stellung des Regiments unter ständigem feindlichen Infanterie-, Maschinengewehr- und Artilleriefeuer, das auf Angriffsabsichten des Gegners schließen ließ. Der Angriff traf daher das I. Bataillon, das besonders unter der Beschießung zu leiden gehabt hatte, wohl vorbereitet, und das sofort bei uns einsetzende Infanterie- und Maschinengewehrfeuer und das Feuer der dem Bataillon zugeteilten leichten Feldhaubitz- und Feldkanonen-Batterie ließ den Angriff der – an einer Stelle unter Ausnutzung der Schluchten bis auf 30 Meter – heranstürmenden Russen blutig scheitern.

Eine Wiederholung des Angriffs nach dieser letzten Abfuhr wagte der Feind nicht. Dagegen geht das Bekidenkorps am 25.07. morgens wieder zum Angriff über, und nachdem 7.50 Uhr vormittags die Artillerie die am Waldrand eingenisteten Maschinengewehre unter Feuer genommen hat, erreichen II. und III. Bataillon zusammen mit dem rechts an Stelle des Landwehr-Infanterie-Regiment 107 eingesetzten Infanterie-Regiment 168, 8.15 Uhr vormittags im ersten Anlauf den Waldrand.

Obwohl die feindliche Infanterie und Artillerie, sowie das dichte Unterholz das weitere Vordringen sehr erschweren, erkämpft das III. Bataillon bis 10.15 Uhr vormittags mit rechtem Flügel den Südrand der Waldblöße Nowiny und dringt das II. Bataillon, dem ein Zug des I. Bataillons und zwei Maschinengewehre als Verstärkung zugeteilt werden, bis 11.50 Uhr vormittags bis zur einspringenden Waldecke südlich Bienen-H. vor.

Dabei ist abre rechts die Verbindung mit Infanterie-Regiment 168 abgerissen und der linke Flügel des Bataillons zu weit vorgeprellt, so dass er völlig in der Luft hängt. In dieser Lage wird er in Front und Flanke überraschend von überlegenen russischen Kräften angegriffen, leistet aber dem Feinde, ohne dass ihm vom Bataillon in dem gänzlich unübersichtlichen Waldgelände Hilfe gebracht werden kann, in zähester Gegenwehr bis zum letzten Mann Widerstand.

Da beim II. Bataillion die Lage ungeklärt und unsicher ist, geht es so weit zurück, dass die Verbindung mit Infanterie-Regiment 168 und III./R, 83 wieder hergestellt wird und gräbt sich im Walde in der neu eingenommenen Linie ein.

3 Uhr nachmittags erhält auch das I. Bataillon, das bisher das Vorgehen des III. Bataillons in der linken Flanke zu sichern hatte, Befehl zum Angriff gegen die Waldhöhe 271. Nachdem es sich 4 Uhr nachmittags unter heftigem feindlichen Feuer mit 2. und 3. Kompanie etwa 300 Meter vorgearbeitet hatte, wird es jedoch auf Anordnung der Division wieder in die Ausgangsstellung zurückgenommen, da das Anschlussregiment, Infanterie-Regiment 149, gleichfalls wieder zurückgegangen war.“

Die Lage des Grabes von Heinrich Frischholz ist unbekannt. Wahrscheinlich existiert es nicht mehr.

Gedenkstein für Heinrich Frischholz auf dem Friedhof von Fernwald-Albach